Ein Adabei in Preußen

Ist Edmund Stoiber eigentlich noch ein echter Bayer? Schimpfen kann er ja. Und katholisch ist er auch. Aber an den Biertischen Bayerns grollt man, dass er’s mit dem „Reen is ned glei dua“ übertrieben hat

VON MAX HÄGLER

Es gibt eine Weisheit, die ein jeder kennt, der eine bayerische Schule besucht hat. „Mach’s gscheit, oder lass bleim“ heißt sie bei den einen. „Red ne so fui, tu einfach“ bei den anderen. Die Lehre ist dieselbe: Konzentriere dich auf das, was du machst, und mach es richtig.

Auch Edmund Stoiber ist in Bayern zur Schule gegangen, auf das Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim. In der siebten Klasse hatte er sich dort zwar nicht gescheit auf Latein konzentriert und eine Ehrenrunde gedreht. Aber vom Vater gab’s daraufhin ein Fußball-Verbot und so blieb das Durchfallen nur ein einmaliger kleiner Schnitzer in Edmunds (Schul-)Karriere: 1961 bekam er sein Abiturzeugnis, ging dann nach Mittenwald und Bad Reichenhall zu den Gebirgsjägern und studierte dann Juristerei in München. Durch und durch ein Oberbayer also, der oberste Bayer ist er inzwischen noch dazu.

Und trotzdem tun sich die Menschen im Freistaat schwer, den Mann zu verstehen, den es ins ferne Berlin zog und der jetzt wieder reumütig Anschluss finden will daheim. Über „das Hin und Her“ schimpfen die Leute und wissen das Reiseverhalten des Ministerpräsidenten gar nicht in eigene Worte zu fassen. Natürlich verstehen alle, die die Landeshauptstadt kennen und die Staatskanzlei einmal gesehen haben, dass man hier nicht wegwill. „Aber das soll er halt einfach klar sagen.“ Das Hackenschlagen, Zaudern und Zögern dagegen ist dermaßen unbairisch, dass man verzweifelt nach Begriffen ringt.

Vom „Stoibern“ ist inzwischen gar die Rede und die Frankfurter Allgemeine Zeitung greift zur Beschreibung des Ministerpräsidenten-Gemüts auf Gerhard Polts kabarettistische Beschreibung des „Chefideologen der Mpf-Partei“ zurück, so dünn wird die nominale Lage im Landesidiom. Früher hätte die Zeitung nach eigenem Bekunden das „Gifthaferl“ ausgepackt oder den „Wadlbeißer“.

Aber das waren Stoibers Zeiten als Generalsekretär, jetzt ist er eben bayerischer Ministerpräsident sowie Beinahe-Bundeskanzler, Beinahe-Bundespräsident, Beinahe-EU-Kommissionspräsident und seit ziemlich genau einer Woche – Beinahe-Bundeswirtschaftsminister. Für die höchsten politischen Ämter war er vorgesehen, doch beim ersten ist er gescheitert und bei den anderen hat er jeweils lange überlegt und schließlich gekniffen. Für so einen politischen Charakter – wankelmütig und zaudernd – hat das Baierische auf Anhieb keine Entsprechungen. Zwar war bereits Franz Josef Strauß ein Großmeister des Unklaren, aber er war eben auch ein gewichtiger Mann, der eine derartige Ausstrahlung an sich hatte, dass sich das Volk stets geborgen fühlte und keine tiefer gehenden Charakterstudien übte. Der Name dafür war: „FJS“. Mehr brauchte es nicht.

Edmund Stoiber dagegen – im politischen Wankeln quasi der Nachfolger – hat nicht die Strahlkraft eines „FJS“, vor allem seit er seinen Trachtenjanker ausgezogen hat und zum Adabei (Möchtegern) in Berlin geworden war. Und so fängt mittlerweile auch die bayrische Volksseele an zu zweifeln: Ist der Stoiber-Edmund denn wirklich ein Bayer, wie er im Buche steht?

Ein bisserl neibenzn und grantln (schimpfen) tut er ja schon gern. Katholisch ist er auch. Und wenn er einmal um das Wo und Wie weiß, dann kann er ordentlich zupacken, unbestritten. Dann wird’s schon schwieriger: Kamillentee statt Bier. Zweireiher statt Lodenmantel. Und Berlin statt München. Beinahe zumindest. Erst hat er ned glei wolln, hat sich geziert. Und als er durfte, war er irgendwann eingschnappt. Im Endeffekt hockt er jetzt eben wieder an der Isar in der Staatskanzlei und hat wahrscheinlich einen rechten Drehwuarm. So ein bisserl wie nach einer Fahrt auf dem Teufelsrad, aber auf die traditionelle Erfahrung dieses Oktoberfest-Originals kann er wahrscheinlich auch nicht zurückgreifen, so sehr ist der Mann mit sich selbst beschäftigt.

Und wird so langsam, aber sicher zum Aushuifsbayer und einer Persona non grata an den Biertischen. Zu oft hat er A gesagt und B gemacht, dafür gibt es zwar eine wohlmeinendes Sprichwort, aber allzu sehr sollte man es nicht übertreiben mit dem „Reen is ned glei dua“. Zu viel „Schau ma amoi, nacha seng ma scho“ gespickt mit Ähs und Mpfs wird selbst unter dem Eindruck eines süffigen bayerischen Biers irgendwann als Dampfplauderei abgetan.

Apropos Bier: Vielleicht sollte der Stoiber-Edmund öfter mal ins Gasthaus gehen, dann würde er auch hören, was da gesagt wird – über die drohende Sperrstunde und derzeit auch über die Politik im Freistaat: „Aus is und gar is und schad is, dass wahr is.“