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MUSIK

MusikTim CasparBoehmehört auf den Sound der Stadt

Möbius. Als Band betrachtet, ist die Sache eine Art dreidimensional in sich verdrehtes Unendlichkeitszeichen, ein Gebilde, bei dem die Grenze von Innen und Außen aufgehoben ist. Doch ein Dieter Moebiusist kein Möbiusband und damit weder unendlich noch unsterblich. 71 Jahre alt ist der Berliner Musiker geworden, bis zuletzt erschienen noch Alben von und mit ihm. Unsterblich – bis auf Weiteres zumindest – sind dafür seine elektronischen Klänge, die er zunächst im Trio mit Kluster,dann im Duo Clustermit Hans-Joachim Roedelius,später immer wieder solo und in vielen wechselnden Konstellationen an diversen Gerätschaften hervorgebracht hat. Anfangs noch budgetbedingt ohne Synthesizer, sondern mit selbstgebastelten und modifizierten elektrischen Instrumenten, die nach nichts Bekanntem klangen und schon gar keine bestehenden Grenzen der Popmusik akzeptierten. Ambient und Drone waren längst Teil seiner Musik, bevor es diese Genres überhaupt gab. Wenn man so will, steckt auch ein bisschen Unendlichkeit in diesem Wuchern, Pulsen, Brummen und was ihm sonst alles so beim Schrauben eingefallen ist. Vor allem immer wieder verschrobene Ideen, wie sich mögliche und unmögliche Töne ineinanderfügen lassen. Die äußeren Grenzen West-Berlins, in deren Radius der Autodidakt mit dem Musikmachen begann, haben seine Kreativität, statt sie einzuschränken, dabei eher noch befeuert. Zwischendurch hatte er die Mauer sogar komplett hinter sich gelassen und sich mit seinem Cluster-Partner Roedelius und Neu!-Gitarristen Michael Rotherauf einem Bauernhof im Weserbergland niedergelassen, um als Harmoniaentspannte Kreiselklänge zu züchten, die mit dem Begriff „Krautrock“ eigentlich nur bedingt zutreffend beschrieben sind. Ihm selbst hat das Wort, wie vielen seiner Kollegen, ohnehin nie gepasst. Dieter Moebius war vielmehr ein Pio­nier, auf den sich Generationen junger Klangforscher und Kabelstecker berufen haben, Menschen, die ihre Geräusche und Töne unbeirrbar immer wieder neu entdecken.

Kabelstecker bevölkern auch den Dokumentarfilm „I Dream of Wires“, der sich der schrulligen Spezies der Anhänger des modularen Synthesizers widmet. Modulare Synthesizer, das sind diese gern schon mal regalwandgroßen Kästen mit vielen Steckverbindungen, aus denen sich zahllose Konstellationen schaffen und immer neue Klänge ersinnen lassen. Morton Subotnick ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet, und er ist bei der Filmpremiere am Donnerstag im Kino Babylon Mitte nicht nur als Interviewpartner auf der Leinwand zu sehen, sondern gibt sich auch die Ehre, im Anschluss an die Vorführung ein Konzert zu geben, zum ersten Mal in Berlin seit 2011. Er ist 82 Jahre alt (Rosenthaler Str. 30, 20 Uhr, VVK: 20/AK: 25 €).

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