Berlinmusik

Klare
Ansagen

„Ich bin ein Star“, singt Alexander Wolf, „wir sind heiß“. Es ist gleich der erste Song des neuen Albums seiner Band HOT° – und da wir mit gewisser Wahrscheinlichkeit noch nichts von dieser Band gehört haben, ist klar, dass die Ansage eher ironisch gemeint war.

Tatsächlich gibt es HOT° schon seit 2008. Mit punkig hingerotztem, trotzdem üppigem Glam-Rock und Hang zur extravaganten Bühnengarderobe erspielte man sich zwar nicht eben Kultstatus, aber doch eine gewisse Bekanntheit als Lokalheroen. 2010 erschien der Erstling „Black Death Poison Kill“, ab 2012 lag die Band aber auf Eis. Nun bringt sie mit „Wir kommen in Wellen“ ein erstes Mini-Album heraus. Sechs Songs, für die HOT° erstmals deutsche Texte geschrieben haben.

In denen entpuppt sich Wolf als misslauniger älterer Herr, der andere Bands – oder auch die eigene – beschimpft („Ihr Nutten“), am eigenen Geschlecht zweifelt („Nicht länger der Mann“), sich irre durch Metaphern assoziiert („Apfel-Z“) oder mit den Öffentlichen durch Berlin fährt und gute Ratschläge raunzt: „Leg das Kind in die U-Bahn und lass es schrein“. Musikalisch unterlegt mit sperrigen Gitarrenriffs, die von ­einem Bass, der lieber in einer Funk-Band spielen würde, nur leidlich befriedet wird. Das erinnert an Fehlfarben – und das ist ja kein schlechter Bezugspunkt.

Auch „I Declare Nothing“, die Kooperation von Anton Newcombe & Tess Parks, beginnt mit einer Ansage: „Wehmut“ heißt der erste Song, klingt angemessen waidwund, zwar auf Englisch, aber in dieser Sprache haben sie eben nicht so ein schönes Wort für den Zustand, den der Psych-Rock-Veteran und die junge Kanadierin ausgiebig erforschen.

Getragen wird die akustische Gitarre angeschlagen, im Hintergrund verteilt Newcombe fieses Saitenquietschen und Parks singt mit solcher Verve, als würde sie augenblicklich einschlafen.

Ein gar nicht so infernalisches Duo, das voller Hingabe durch die dunklen Gefilde der sechziger Jahre streift und weiß, wie sich ein LSD-Trip gefälligst anzuhören hat. Musikalisch hinkt der Vergleich, aber in der Haltung wirken Anton New­combe & Tess Parks wie eine zwar nicht moderne, aber immerhin noch lebendige Ausgabe von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood – und das ist ja nun wohl einer der besten Bezugspunkte überhaupt. THOMAS WINKLER

Tess Parks & Anton Newcombe: „I Declare Nothing“ (A Recordings/ Cargo)

HOT°: „Wir kommen in Wellen“ (Burning Friends Records)