piwik no script img

Archiv-Artikel

Mit Hymnen und Flaggen

Sachsens CDU beschließt ein Patriotismus-Papier: Mit Liebe zum Vaterland und der Nationalhymne in der Grundschule will sie Arbeitslosigkeit und NPD bekämpfen

SCHWARZENBERG taz ■ „Im vereinigten Europa ist die historische und kulturelle Schicksalsgemeinschaft der Nation unverzichtbar.“ So beginnt das Patriotismus-Papier, das die sächsische CDU am Sonnabend auf ihrem Landesparteitag im erzgebirgischen Schwarzenberg bei nur drei Gegenstimmen beschlossen hat. Man wolle die mit den 68ern verbundene Diskreditierung wertorientierter patriotischer Positionen überwinden, heißt es. In Deutschland fehlten symbolträchtige Institutionen, die „Momente kollektiver emotionaler Erhebung“ ermöglichten. Schlussfolgerung: mehr Flaggen und das Einüben der Nationalhymne in der Grundschule.

Änderungsanträge entfachten teils bizarre Diskussionen. So darüber, ob die 68er-Bewegung, die unsere Gesellschaft „zerrüttet“ habe, nun eine „Kulturrevolution“ oder nur eine „studentische Kulturrevolte“ war. Die Junge Union will Anglizismen und dem „Denglisch“ den Kampf ansagen. Sie setzte auch eine Präambel durch, nach der „Liebe zum Vaterland“ wieder eine Selbstverständlichkeit werden müsse.

Er hoffe, dass die „etwas zögerliche“ Bundespartei von der sächsischen Patriotismus-Diskussion mitgezogen werde, sagte der frühere Wissenschaftsminister Matthias Rößler. Ministerpräsident Georg Milbradt hatte den ehrgeizigen Politiker als Patriotismusbeauftragten ruhig gestellt, nachdem er ihn 2004 nicht mehr ins Kabinett berufen hatte und Rößler den innerparteilichen Aufstand probte.

Rößler bestreitet, dass es sich nur um eine Reaktion auf den NPD-Wahlerfolg in Sachsen handelt und die Partei den rechten Rand wieder besetzen will. Er sei 2.000 Kilometer weit durch die Kreisverbände gefahren und überall auf großes Interesse gestoßen.

Dagegen sagte Thomas Pietzsch, Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft in Sachsens, er sei schon froh, wenn Menschen wieder auf ihre eigene Arbeit, ihren Betrieb oder regionale Erfolge stolz sein könnten, ohne gleich die Glocke der Nation zu läuten. Und Sachsens Ausländerbeauftragte Friederike de Haas, ebenfalls CDU, vermisst in dem Papier Werte wie Weltoffenheit und den Schutz der Menschenwürde.

Der Dresdner Kreisverband stieß zunächst auf Ablehnung, als er den Patriotismus-Antrag wegen möglicher „Fehlinterpretationen durch andere politische Kräfte“ wieder an die Parteibasis zurückverweisen wollte. Im Bundestagswahlkampf hatte beispielsweise der CDU-Abgeordnete Henry Nitzsche mit dem NPD-verwandten Slogan „Arbeit, Familie, Vaterland“ geworben. Indirekt setzten sich die Dresdner doch durch, weil das Papier nun als bloße „Diskussionsgrundlage“ für die Basis beschlossen wurde. MICHAEL BARTSCH