Vom Menem-Fan zum Bush-Hasser

Folklore statt Randale: Dass sich die Weltpresse bei der Berichterstattung über den „Völkergipfel“ in Mar del Plata nicht nur auf die Ausschreitungen militanter Kapitalismuskritiker konzentrierte, ist vor allem Diego Armando Maradona zu verdanken. Die 45-jährige Fußballlegende aus Buenos Aires setzte den unzähligen Protestveranstaltungen gegen US-Präsident George W. Bush in Südamerika die Krone auf.

Öffentlichkeitswirksam fuhr Maradona in der Nacht zum Freitag mit einem Sonderzug von der Hauptstadt an die Küste, dem „Alba-Zug“. „Alba“ ist das Kürzel für „Bolivianische Amerika-Alternative“, eines sozial ausgerichteten regionalen Integrationsprojekts, mit dem sich Venezuelas Präsident Chávez in der Nachfolge des antikolonialistischen Anführers Simón Bolívar (1783–1830) sieht.

Prominenter Mitfahrer war der serbische Regisseur Emir Kusturica, der gerade einen Dokumentarfilm über Maradona dreht. Er sei stolz darauf, gegen den „menschlichen Müll Bush“ zu protestieren, verkündete Maradona. Sein T-Shirt zierte ein Konterfei Bushs mit der Aufschrift „Kriegsverbrecher“.

Mit solch kruden Tönen weiß sich Maradona im Einklang mit der argentinischen Linken, ja gar mit der Mehrheit seiner Landsleute: 60 Prozent lehnen Bush ab, drei Viertel unterstützen Chávez. Als politische Intervention will Maradona seinen Auftritt im Stadion von Mar del Plata aber nicht verstanden wissen: „Ich komme wegen dieses Hurensohns Bush, als Argentinier, nicht als Politiker“, sagte er der Zeitung La Nación.

1981 geriet der damalige Jungstar erstmals in die Mühlen der großen Politik: Sein Transfer nach Spanien verzögerte sich um ein Jahr, weil es dem Militärregime nutzte – dies zumindest deutete einer der Fußball-Granden des FC Barcelona an: „Maradona war perfekt, um die Ausmerksamkeit abzulenken, wie der Zirkus. Es gab Druck, damit er noch ein wenig länger in Argentinien blieb.“ 1995, auf dem Gipfel der neoliberalen Bonanza in Argentinien, rief „el Diego“ ausgerechnet zur Wiederwahl von Präsident Carlos Menem auf: „Ich unterstütze Menem, weil sein Sohn gestorben ist“, so Maradonas Begründung.

Während seiner jahrelangen Kokainentziehungskur auf Kuba wurde der Superstar der 80er-Jahre zum Fan von Fidel Castro. Mit dem greisen Diktator plauderte er vor zwei Wochen in Havanna für seine überaus seichte, aber erfolgreiche Fernsehshow „Die Nacht der Nummer 10“. Als Maradona ihm von seiner Teilnahme an den Anti-Bush-Protesten erzählte, rief der Líder Máximo begeistert: „Eine Statue für dich, Diego!“ Heute Abend wird in Argentinien der zweite Teil des Gesprächs ausgestrahlt.

GERHARD DILGER