LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Nein von unten, Ja von oben

Grexit Die Regierung aus der linken Partei Syriza und der rechten Partei Anel stimmt den Bedingungen der Merkel-EU zu. Schäuble ist nicht zufrieden

Kampf gegen weiteren Sozialabbau. 24-Stunden-Streik in Athen Foto: reuters

Nationale Koalition

betr.: „Merkels Härte“, „Tsipras’ Schwäche“, taz vom 15. 7. 15

Tsipras’ zu Recht von den taz-Kolumnisten konstatierte Schwäche ist eine Konsequenz aus den Fehlern der korrupten Vorgängerregierungen, des daraus resultierenden finanziellen Zusammenbruchs Griechenlands sowie der unhaltbaren Wahlversprechungen Syrizas. Statt auf Wahlplakaten ausländische Politiker wie Schäuble im Rückgriff auf eine in rechtsradikaler Tradition stehende Kollektivsymbolik zum parasitären Blutsauger zu erklären und damit die gegenwärtige Misere einseitig der außergriechischen Umwelt zuzurechnen, sollte sich Syriza unter der Tsipras-Führung lieber an die Spitze einer breiten nationalen Koalition stellen. Nur so können weitere einseitige Belastungen der unteren Schichten Griechenlands vermieden werden. Das entsprechende symbolische Kapital besitzt der im Gegensatz zu Varoufakis nicht dem vormodernen Klientelsystem der Hellenischen Republik entstammende Ministerpräsident nach wie vor.

Wer jenseits der politischen Niederungen das griechische Volk wirksam und unmittelbar unterstützen möchte, kann noch in diesem Sommer dort als Individualtourist Urlaub machen und die ortsansässigen Hoteliers direkt in bar bezahlen. Ein ordentliches Trinkgeld schadet sicherlich auch nichts!

DOMINIC BERLEMANN, Aachen

Europa von unten

betr.: „Es geht um jede Menge Kohle“, taz vom 16. 7. 15

Die Privatisierung der Energieversorgung in Griechenland als Chance! Wie könnte das gehen? Die Ereignisse der letzten Tage haben mehr als deutlich gemacht: Ein Zusammenschluss „von unten“ in Europa ist angesagt. Auch die Bewegung für eine dezentrale, ökologische und soziale Energieversorgung sollte jetzt ein Netz nach Griechenland knüpfen – nicht als „Energiekolonialismus“, sondern in Form eines solidarischen Dialogs und, wenn nötig, auch in Form materieller Unterstützung. Drei Bürgerenergiegenossenschaften gibt es ja schon in Griechenland. Das könnte der Beginn einer breiten Bewegung sein. Ganz viele Schönaus für Griechenland! – Was wäre mit einer Kommunalisierung der Energieversorgung durch Stadtwerkegründung? MARGIT GEILENBRÜGGE, Dortmund

Eins auf die Mütze

betr.: „Die Bombe aus Washington“, taz vom 15. 7. 15

Worüber denkt Angela Merkel im Zusammenhang mit der Griechenlandkrise nach? Richtig: Wie gewinne ich die nächste Wahl? Wie kriegt sie das hin? Na klar, indem sie dem „Mehrheitswillen“ der Deutschen folgt, dem „Mainstream“. Und was ist der „Mainstream“? Den formuliert Bild, nämlich: Die faulen Luxusgriechen brauchen eins auf die Mütze, damit sie fleißig und sparsam werden wie wir Deutschen, ist doch klar. Das bellt ja auch der Sparminister aus der Schwäbischen Alb – „schwarze Null“. Dass „Sparen, sparen, sparen“ gut funktioniert hat, kennt man ja aus der deutschen Geschichte vom Parteifreund Brüning 1929. Daraus folgte die Nazidiktatur?

Ach was, die nächste Wahl muss gewonnen werden. Dass wir den faulen Luxusgriechen bereits 30 Prozent Rentenkürzung, 25 Prozent Arbeitslosenquote, 20 Prozent Wirtschaftseinbruch beschert haben und sie jetzt auch noch das staatliche Tafelsilber verscherbeln müssen, damit sie bloß ja nicht zu viel Einnahmen zum Verprassen haben und die ganzen Hilfszahlungen in erster Linie an die „Gläubiger“-Banken fließen, also den Griechen gar nicht helfen, was soll’s!

DIETMAR SCHUFFENHAUER- ENDER, Berlin

Ekel und Scham

betr.: „Augen zu und durch“, taz vom 14. 7. 15

Es erfüllt mich mit einer Mischung aus Ekel, Besorgnis, Mitleid und Scham, was Schäuble und Merkel am Wochenende getan haben. Letztendlich haben sie ihr Ziel erreicht. Die Investoren stehen in den Startlöchern, um sich die Filetstücke aus griechischem Staatsbesitz unter den neoliberalen Ausbeuternagel zu reißen. Nichts anderes war der Grund, warum Wolfgang Schäuble im Herbst letzten Jahres sein Veto einlegte, als die Regierung Samaras Zahlen vorlegte, die Griechenland dazu berechtigt hätten, aus dem „Rettungsprogramm“ auszusteigen. Das Land musste noch erpressbarer gemacht werden. Das wurde nur etwas schwieriger, als sich Griechen erdreisteten, eine linke Partei zur neuen Regierungspartei zu wählen.

Jeder Wirtschaftswissenschaftler lernt, dass eine starke Binnennachfrage das Allerwichtigste für eine funktionierende Volkswirtschaft ist. Das erreicht man nicht, indem man Preise erhöht und Löhne und Renten senkt. Griechenland sollte nie wirklich geholfen werden. Es ging immer nur um Investoreninteressen. Im Fall Schäuble wahrscheinlich auch noch um Rache an einem Ökonomen, der nicht nach seiner Pfeife tanzen wollte. So wie er es eigentlich gewohnt ist.

Zurück bleibt verbrannte Erde, ein tiefer Kratzer in der europäischen Idee, ein gedemütigtes Volk und eine keifende Bild-Zeitung, welche ihre Leserschaft weiter in Richtung AfD hetzen wird. PETER FRAHM, Kiel

Ruhe in der EU

betr.: „Das hat Ochi gebracht“, „Die Meuterei“, taz vom 14. und 17. 7. 15

Griechische Gesetze müssen in Zukunft den „drei Institutionen“ zur Genehmigung vorgelegt werden, bevor sie im griechischen Parlament beraten und zur Abstimmung gebracht werden dürfen, lese ich in der taz. Da fehlt dann auch nicht mehr viel, dann müssen vielleicht auch die griechischen Parteien, ihre Wahlprogramme und Kandidaten bei der nächsten Wahl diesen Institutionen vorab zur Genehmigung vorgelegt werden, bevor das griechische Volk beraten und sie wählen darf.

Dann wäre endlich sichergestellt, dass die Griechen bei den wohl bald anstehenden Neuwahlen nicht mehr erst die „falsche“ Regierung wählen, die dann auch noch ein ungenehmigtes Referendum durchführt, welches dann zweitens auch noch mit dem „falschen“ Ergebnis endet. Dann wäre endlich wieder Ruhe unter dem Deckel der EU! Merke: Wer zweimal falsch wählt, den holt der Schäuble! RICHARD HEHN, Villingen-Schwenningen

Schnäppchenjäger

betr.: „Griechenland wird ausverkauft“, taz vom 14. 7. 15

Liebe GriechInnen, warum sollte es euch besser gehen als so vielen Betrieben und Menschen in unserer vergangenen DDR?

Man erinnere sich nur an die gute alte „Treuhand“! Unter ihrem Deckmantel rissen sich einige Gutmenschen damals so manches Filetstück unter den Nagel. Nun wird halt Griechenland sturmreif geschossen und verramscht. Endlich können skrupellose Schnäppchenjäger in griechischem Staatsbesitz wildern!

Wer die Zeche zahlt, ist klar! PPP oder ÖPP, TTIP und Ceta; Irland, Portugal, Island …! Passt da nicht einiges so schön zusammen? Greift da nicht ein Zahnrad ins nächste?

GEBHARD MACK-REISER, Burladingen