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Die Karriere eines Amrumer Matrosen bei den Osmanen

Reiselektüre Ein kurzweiliges Buch präsentiert die skurrilen Geschichten 111 nordfriesischer Orte

Ein Lexikon ist eine feine Sache. Erst recht eins, das einem Orte und Dinge anempfiehlt, die man sehen, lesen, tun sollte. Andererseits fühlt man sich immer ein bisschen bevormundet von solchen Ratschlagsbüchlein. Weswegen man zunächst eher ungnädig im grad erschienen Band „111 Orte in Nordfriesland, die man gesehen haben muss“ blättert.

Doch der Unmut währt kurz: Nicht nur die schönen bunten Fotos und die angenehm kurzen, auf eine Seite beschränkten Texte ziehen einen hinein. Auch die Geschichten sind kurzweilig und erweisen sich als angenehme Reisebegleiter bei Lang- und Kurztrips in die Region.

Dabei gibt es natürlich vor allem zwei Komponenten: Natur und Seefahrt. Das war erwartbar – und doch: Wussten Sie, dass der Schnabel des Säbelschnäblers deshalb so gebogen ist, weil er damit auf dem Wasser hin- und herstreicht, um Nahrung zu finden? Und dass er auf der Hamburger Hallig ein echtes Paradies fand, aber nur selten live zu beobachten ist?

Auch davon, dass auf der Hallig Süderoog eine Arche entstand, als ein Paar sich entschloss, dort hinzuziehen und bedrohte Tierarten zu halten, berichtet das Buch. Fuchsschafe und Pommerngänse gibt es da, und wenn es Flut gibt, müssen alle schnell nach Haus.

Aber für Nervenschwache ist das Leben auf den Halligen sowieso ungeeignet. Denn die bieten auch echte Abenteuer; überhaupt ist es eine Landschaft mit internationalen Geschichten – von ertrunkenen und geretteten Seeleuten zum Beispiel. Und selbst König Friedrich VI. musste 1825 wegen aufkommender Flut plötzlich auf Hallig Hooge übernachten. Natürlich im Pesel, der guten Stube im Haus Hanswarft. Die heißt inzwischen „Königspesel“ und kann besichtigt werden.

Auf Hallig Süderoog wiederum strandete 1870 die spanische Bark Ulpiano mit zwölf Seeleuten, die wochenlang beim Bauern Paulsen blieben und zum Dank die hölzerne Schnitzerei vom Heck ihres Schiffs hinterließen, die heute über der Eingangstür hängt.

Der Amrumer Hark Olufs machte gar im Ausland Karriere: Als 15-jähriger Matrose von osmanischen Seeräubern gefangen, wurde er an den Bey – Sultan nannten sich die Herrscher erst später – verkauft und arbeitete sich zum Chef der Leibgarde hoch. Nach elf Jahren ließ ihn der Bey frei; Olufs kam wohlhabend nach Amrum zurück. Seine Geschichte ist auf seinem Grabstein verewigt. PS

Jochen Reiss: „111 Orte in Nordfriesland, die man gesehen haben muss“, Emons Verlag 2015, 240 S., 14,95 Euro

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