: Es geht um taktische Fragen
betr.: „WASG sieht Rot-Rot“, „Konsequenz ist auch eine Tugend“, Kommentar von Felix Lee, taz vom 31. 10. 05
Wenn aufgrund eines häufig überspitzten Austragens von Richtungsstreitigkeiten innerhalb der WASG Berlin der Eindruck entsteht, sie sei in dieser Frage in zwei klar quantifizierbare Lager gespalten, so ist dies falsch. Bei einem näheren Hinsehen zeigt sich der Richtungsstreit weniger als ein Kampf zwischen „Fusion ohne Wenn und Aber“ und „alleinigem Antritt ohne Wenn und Aber“, sondern vielmehr als ein Konflikt zwischen denjenigen, die die Berliner Linke.PDS für wandlungsfähig halten und denjenigen, die pessimistischer sind und mit einer Verteidigung der Regierungsmacht durch Wolf, Liebich & Co. um jeden Preis rechnen. Gegen jeglichen Dialog mit der Linkspartei ist in der Berliner WASG fast niemand, für eine Fusion ohne Politikwechsel aber auch so gut wie niemand.
Grundlage für die Entwicklung in den nächsten Monaten, hinter der die WASG Berlin fast einhellig steht, ist ein landespolitischer Forderungskatalog an die Linke.PDS, dessen Erfüllung Voraussetzung für einen gemeinsamen Antritt wäre.
Bei den Strategie-Papieren aus den verschiedenen Fraktionen, die WASG-intern existieren, beschränken sich die Unterschiede oft auf logistische Detailfragen, etwa, wie der öffentliche Dialog mit der Linkspartei geführt werden soll, und vor allem, wie lange er geführt werden soll. Die Frage, ob das Zeitfenster zur Erfüllung dieses Forderungskatalogs für die PDS bis Ende März 2006 oder nur bis Anfang Februar 2006 offengehalten werden soll, wird da in den Augen mancher schon zur Gretchenfrage, ebenso die Frage, wie intensiv der eigenständige Antritt der WASG zeitlich parallel logistisch vorbereitet werden soll. Es geht – und das sollten sich beide Strömungen in der WASG einmal klar machen – also vor allem um taktische Fragen.
Wenn dabei diejenigen, die auf eine möglichst lange und intensive Phase des Dialogs setzen, als „Opportunisten“ stigmatisiert werden, die auf Posten bei der Linkspartei hofften, auf der anderen Seite diejenigen, die schon jetzt auf scharfe Konfrontation setzen, als „Spalter der Linken“, schadet das der WASG Berlin insgesamt nur. Im politischen Alltag wird die Auseinandersetzung ohnehin auf beiden Wegen gesucht. Dass WASGler am 31. 10. unter dem Motto „Helloween – Aktionstag gegen gruselige Arbeitgeber“ S-Bahner und Charité-Mitarbeiter bei ihren Demonstrationen gegen den rot-roten Senat unterstützt haben, also eher die Konfrontation gewählt haben, schließt nicht aus, dass zu denselben Themenkomplexen in wenigen Wochen schon Vertreter von WASG und Linkspartei am Verhandlungstisch sitzen könnten. SVEN KORZILIUS,
Bezirksvorstand WASG Berlin-Mitte