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Birma Die Dinge beim Namen nennen – der Appell des 3. taz Myanmar-Workshops für junge JournalistInnenZuversicht und Neugier

Von Sven Hansen

„War der Bau dieser Moschee ein Wunder?“, fragt eine erstaunte Journalistin aus Birma (Myanmar) den Imam in Berlin-Pankow, nachdem er von den massiven Protesten gegen die Errichtung seines Gotteshauses im Ortsteil Heinersdorf berichtet hat. Bis zu 6.000 Menschen hatten vor der Eröffnung der Khadija-Moschee im Jahr 2008, der ersten und einzigen Moschee in Ostdeutschland, am Baugelände protestiert. Sogar Baufahrzeuge wurden niedergebrannt.

Ein Wunder? Im religiösen Sinne ja, antwortet Said Ahmed Arif, der Imam der Ahmadiya-Gemeinde. Aber es sei vor allem der intensive Dialog gewesen, der vielen Nachbarn die Angst genommen und mit Klischees über den Islam aufgeräumt habe. Natürlich gebe es Probleme für Muslime in Deutschland, „aber ich bin kein Opfer. Wir setzen auf den Dialog und sind stolz auf die starke Zivilgesellschaft hier.“ Dann fragt der junge Imam, wie die gewalttätigen Angriffe einiger Buddhisten auf Muslime in Birma zu erklären seien. Viele Erklärungsversuche folgten: Die Geschichte, mangelnde Bildung, Extremismus, Duldung durch die Regierung. „Es gibt nicht nur eine Antwort“, sagt eine birmesische Journalistin. Ihre Nachbarin ergänzt: „Vielleicht besteht unser Problem auch darin, dass unsere Zivilgesellschaft so schwach ist. Zu wenige stehen gegen die Verletzung menschlicher Werte und Freiheiten auf“.

Zehn Journalistinnen und Journalisten – sechs Frauen und vier Männer – erkunden auf Einladung von taz Panter Stiftung und Auswärtigem Amt für eine Woche und bereits 3. Myanmar-Workshop Berlin. Genau in dieser Woche gibt Birmas Wahlkommission den 8. November als Datum der Parlamentswahl bekannt. Dies antizipierend war das Thema Wahlkampfberichterstattung als eines von zwei Schwerpunkten des Workshops ausgewählt worden. Wie inszenieren sich Parteien und Kandidaten in den Medien, mit welchen Mechanismen und Strategien sind Journalisten konfrontiert? Als Trainerin Petra Bornhöft von der Panter Stiftung von den Birmesen erfährt, dass auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi nicht sage, was sie und ihre Partei eigentlich vorhätten, wird die frühere taz- und Spiegel-Redakteurin deutlich. Sie ermuntert die KollegInnen, Dinge beim Namen zu nehmen und nicht einfach Suu Kyi zu vertrauen.

Beim zweiten Thema – innovativen Finanzierungs- und Organisationsmodellen unabhängiger Medien – werden u.a. die taz Genossenschaft, die Initiative Krautreporter, das Journalistenbüro Autorenwerk sowie die Initiative für kollaborativen internationalen Journalismus namens Hostwriter vorgestellt. „Es war ein richtiger Austausch“, sagt Felix Franz von Hostwriter. Ihn begeistert das Interesse der Teilnehmer. „Ich habe zunächst erzählt, was wir machen, dann haben sie mich an ihren Problemen teilnehmen lassen.“ Die jungen Birmesen erklärten, dass sie schlecht Journalistenkollegen aus dem Ausland bei sich aufnehmen könnten, da sie meist noch bei den Eltern wohnten.

Der Workshop will den JournalistInnen nicht hiesige Erfahrungen als Lösungen vermitteln

Erst dann sei ihnen klar geworden, dass sie nicht Fixer und Gastgeber für westliche Reporter sein sollen, sondern durch gemeinsame Recherchen stark von der Zusammenarbeit mit Journalisten aus anderen Weltregionen profitieren könnten. „Zugleich haben sie mir gesagt, dass sie selbst ohnehin eng kooperieren und stets Themen und Infos teilen“ – wohl auch aus Überlebenstrieb, der zu mehr Zusammenhalt und weniger Konkurrenzkämpfe als in Deutschland geführt habe.

Der Myanmar-Workshop will den JournalistInnen aus Birma nicht hiesige Erfahrungen als Lösungen vermitteln, sondern Denkanstöße und Ermutigungen liefern, selbst kreativ nach passenden Lösungen zu suchen.

Sven Hansen ist Asien-Redakteur im Auslandsressort der taz.

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