: Im guten Dienst des Friedens
Die Vereinten Nationen brauchen mehr Mittel und Möglichkeiten zur Konfliktlösung. Ein Plädoyer des UN-Untergeneralsekretärs für politische Angelegenheiten I. Gambari
Eine der am wenigsten kontroversen Maßnahmen, die beim Weltgipfel der Vereinten Nationen im September in New York beschlossen wurden, ist auch eine der vielversprechendsten. Tatsächlich könnte sie mithelfen, einige der tödlichsten bewaffneten Konflikte zu beenden. Die Staats- und Regierungschefs bestätigten die Pläne von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, die Rolle der Vereinten Nationen als ehrlicher Makler von Friedensabkommen zu stärken.
Die Forderung nach einer stärkeren Rolle der Vereinten Nationen bei Vermittlung und sogenannten „guten Diensten“ – also dem Bemühen einer dritten Seite, einen Konflikt beizulegen – ist eine Anerkennung der entscheidenden Rolle, die dritte Parteien, darunter die Vereinten Nationen, bei Friedensabkommen weltweit gespielt haben. Dritte Parteien können besonders hilfreich sein, wenn jahrelanges und manchmal sogar jahrzehntelanges Töten tiefen gegenseitigen Hass entstehen ließ. Dieser ist oft nicht zu überbrücken, wenn nicht Außenstehende den widerstreitenden Parteien helfen, ins Gespräch zu kommen und Vertrauen aufzubauen. Das Streben nach Frieden geschieht oft nur zögerlich. Die Erfahrung zeigt, dass man manchmal einen dritten Partner braucht.
Ständig sind dutzende Sondergesandte für den Generalsekretär der Vereinten Nationen weltweit im Einsatz und leisten in seinem Namen „gute Dienste“. Obwohl sie zurzeit beispielsweise im Irak, im Nahen Osten und in den konfliktbeladenen Regionen Afrikas aktiv sind, ist ihre Rolle nicht darauf beschränkt, Kriege zu verhindern. „Gute Dienste“ werden auch zu anderen Friedenszwecken genutzt – beispielsweise zur Befreiung von Geiseln, Beilegung von Grenzstreitigkeiten oder bei Wahl- und innergemeinschaftlichen Kontroversen, bevor sie in Gewalt umschlagen.
Vermittlungstätigkeiten durch eine dritte Partei nehmen zu. Regierungen, regionale und Nichtregierungsorganisationen sind damit ebenso beschäftigt wie einige weithin bekannte Persönlichkeiten. Die Vereinten Nationen besitzen hier kein Monopol. Jedoch können sie unvergleichliche Legitimität einbringen, da sie die internationale Gemeinschaft im weitesten Sinne vertreten.
Vermittler der Vereinten Nationen haben beim Abschluss der wegweisenden Friedensabkommen in Kambodscha, El Salvador und Guatemala in den Neunzigerjahren geholfen. So konnten einige der furchtbarsten Konflikte unserer Zeit beendet werden. In jüngster Zeit war es ein hoher UNO-Gesandter, Lakhdar Brahimi, der über tiefe ethnische und politische Klüfte hinweg vermittelte und bei der Afghanistan-Konferenz in Bonn bei der Bildung der afghanischen Übergangsregierung und der Entwicklung ihrer politischen Leitlinien nach dem Sturz der Taliban mitwirkte.
In einigen Fällen war der UNO-Generalsekretär persönlich einbezogen – als beispielsweise die diskreten „guten Dienste“ Kofi Annans mithalfen, Kämpfe zwischen Nigeria und Kamerun um eine ölreiche Halbinsel zu verhindern, die von beiden Seiten beansprucht wurde.
In anderen Fällen, wie heutzutage im Sudan, können die Vereinten Nationen Unterstützung und Sachverstand anderen internationalen Akteuren gewähren, die die Friedensbemühungen leiten. Auf das historische Abkommen, das dieses Jahr das Blutvergießen zwischen Nord- und Südsudan nach zwei Jahrzehnten beendete, muss nun der erfolgreiche Abschluss der Friedensgespräche folgen, die von der Afrikanischen Union zur Beendigung der Gräueltaten in Darfur geleitet werden.
Obgleich die Vereinten Nationen einige bemerkenswerte Beiträge einiger außergewöhnlicher Diplomaten vorweisen können, ist es nötig, die friedensstiftenden Kapazitäten der UNO zu erweitern. Gesandte sollten mehr zur Verfügung haben als ihren Mut, ihren Witz und ihre persönliche Erfahrung. Die UNO muss beispielsweise eine interne Datenbank über Friedensstiftung und ein besseres System zur Auswahl und Schulung von Vermittlern entwickeln, damit diese den Herausforderungen vor Ort gerecht werden können.
Nach Ende des Weltgipfels können die Arbeiten beginnen, die vagen Bekräftigungen zur Stärkung der Kapazitäten der Vereinten Nationen zur Friedensstiftung in gezielte Aktionen umzusetzen. Vorschläge dazu müssen entwickelt und gemeinsam zwischen dem UNO-Generalsekretariat und den Mitgliedsstaaten diskutiert werden.
Die von Kofi Annan eingesetzte Hochrangige Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel hat vorgeschlagen, dass die Vereinten Nationen ein Team von erfahrenen Vermittlungsfachleuten zusammenstellen, die die Gesandten im Einsatz unterstützen. Man könnte sich vorstellen, dass sie Rat zu Vermittlungstechniken geben, wie Parteien bei allen möglichen Arten qualvoller Fragen – beispielsweise im Umgang mit Kriegsverbrechen – zu lenken sind, wie dies immer wieder in Friedensverhandlungen vorkommt.
Die Hochrangige Gruppe hat auch festgestellt, dass die Hauptabteilung, die sich mit Friedensstiftung innerhalb der Vereinten Nationen beschäftigt, nämlich die Hauptabteilung für politische Angelegenheiten, die ich leite, unterbesetzt ist. Sie sollte verstärkt werden, um zum Teil die Gesandten der Vereinten Nationen und allgemein Vermittlungen besser unterstützen zu können.
Wir wissen nicht, wann sich die nächste Gelegenheit zur Friedensstiftung durch die Vereinten Nationen ergibt. Es gibt eine ganze Reihe langjähriger Bürgerkriege, zu denen ein Vermittler einer dritten Partei schließlich gerufen werden dürfte – sei dies die UNO alleine oder in Partnerschaft mit anderen. Aber wir müssen bereit sein, wenn dieser Ruf erfolgt. IBRAHIM A. GAMBARI