Flucht ins Eislabor

HEISS & KALT Ilka Weikusat ist Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. In der dortigen Kühlkammer untersucht sie Kerne aus bis zu drei Kilometer tiefen Eisschichten der Antarktis

Trotz Hitzewelle: Wenn Ilka Weikusat ihren Arbeitsplatz aufsucht, zieht sie sich eine Wollmütze mit Fleeceinlett, Handschuhe, Daunenhose- und jacke sowie dicke Moonboots an.

Die Glaziologin hat einen äußerst frostigen Arbeitsplatz: Sie untersucht in einem Eislabor des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven bei bis zu minus 25 Grad Celsius Eisbohrkerne aus der Antarktis und aus Grönland. „Bei den momentanen Außentemperaturen ist es richtig schön, dorthin flüchten zu können“, sagt sie.

Damit Weikusat und ihre Kollegen nicht völlig verschwitzt in die Kältekammer gehen, ziehen sie sich die Winterklamotten erst in einer vier Grad kalten Schleuse an. Ihre Brille muss Weikusat gegen Kontaktlinsen eintauschen. „Die Gläser beschlagen sonst jedes Mal, wenn man wieder rausgeht.“ Rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit verbringt die Wissenschaftlerin für Messungen im Eislabor.

Im Umgang mit der Kälte hat sie deshalb schon viel Erfahrung gesammelt: Nach einer Stunde in der frostigen Umgebung ist eine Pause im Warmen sinnvoll. „Sonst wird man schnell müde“, weiß die studierte Geologin. In den bis zu 15-minütigen Auszeiten trinkt sie heißen Tee oder Kaffee zum Aufwärmen und isst Schokolade oder Kekse. „Ich merke, dass ich in der Kältekammer immer mehr Hunger habe als sonst. Man verbrennt schneller Energie in der Kälte.“ An den Messgeräten und Mikroskopen arbeiten die Forscher grundsätzlich im Stehen. „Im Sitzen wird man schneller kalt.“

Außerdem hat sie einen Trick parat: Weil die Finger auch mit Handschuhen im Eislabor schnell eisig werden, legt sie sich immer ein zweites Paar in den von der Tiefkühltruhentemperatur abgeschirmten und geheizten Computerschrank. Bei Bedarf tauscht sie die Handschuhe aus. „Das Problem ist eher die Nase“, sagt Weikusat. Ein Mundschutz darf deshalb nicht fehlen, damit keine Tropfen aus der Nase oder aus dem feuchten Atem auf die Eisproben fallen. „Das würde das Ergebnis verfälschen.“

Viele ihrer männlichen Kollegen kommen deshalb auch nach einer Expedition in der Antarktis mit einem Bart zurück. „Auch als Schutz gegen die Feuchtigkeit im Atem“, erklärt die Wissenschaftlerin. Nicht nur die Menschen bedürfen einer besonderen Pflege bei der Kälte, auch die Geräte: Sie müssen regelmäßig mit Silikonölen eingeschmiert werden. Auch passen die Wissenschaftler auf, dass die in der Kälte steifen Kabel nicht brechen.

Die zu untersuchenden Eiskerne kommen nach Angaben des AWI aus bis zu drei Kilometer tiefen Eisschichten. Sie werden zersägt und liefern wertvolle Informationen zur Klimageschichte der letzten 800.000 Jahre der Erde. So werden etwa die im Eis eingeschlossene Luft oder die im Wasser enthaltenen Spurenelemente analysiert.

Der Vorteil der derzeitigen Hitze sei, dass sie nach der Kältekammer wieder schnell durchwärme, sagt die Forscherin. Dann kann sie auch gleich wieder zurückgehen. Ihr Fazit: „Das Eislabor ist besonders cool, wenn es warm ist.“ (dpa)