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EUROPASPIELE Weil die Show so gut funktionierte, möchte Aserbaidschan nun Olympia ausrichten

„Aserbaidschan überall bekannt machen“: Sportminister Rachimow Foto: F.: ap

BAKU/BERLIN dpa/taz | Kurz vor Ende der Europaspiele erreichte die Inszenierung für Präsident Ilham Alijew ihren Höhepunkt. Sekundenlang flüsterte der blinde Judoka Ilham Zakijew dem aserbaidschanischen Präsidenten bei der Siegerehrung etwas Bedeutungsvolles ins Ohr und zog ihn dann mit aufs Podest. Sodann winkte der autoritär regierende Staatschef von der Position der Sportler aus ins Publikum – die enthusiastischen Zuschauer in der Heydar-Alijew-Arena, benannt nach Ilhams Vater und Vorgänger, tobten.

Die Milliardeninvestitionen der Regierung für das Prestigeprojekt Europaspiele haben sich für die politische Führung in Form schöner Hochglanzbilder offenbar bezahlt gemacht. Egal wo aserbaidschanische Sportler Medaillen gewannen, Alijew war meist schon da, um sich im Lichte seiner Medaillengewinner zu sonnen. „Das ist mein Geschenk an den Herrn Präsidenten“, verkündete Volksheld Zakijew und verwies stolz auf den Feiertag für die bewaffneten Streitkräfte Aserbaidschans. Auch auf mehrfache Anfrage konnte das Organisationskomitee die genaue Zahl der Zeremonien mit Alijew nicht nennen. Aber gut eine Stunde vor Krönung des Fackelträgers Zakijew ließ es sich der Chef des Nationalen Olympischen Komitees nicht nehmen, acht Kilometer entfernt dem eingebürgerten Boxer Collazo Sotomayor im Ring zu gratulieren.

Wenn es nach dem Wunsch der Regierung geht, soll auf die Europaspiele in Zukunft ein noch gigantischeres Projekt folgen. „Das Niveau der Ambitionen hängt nicht mit der Größe eines Landes zusammen“, sagte Ali Hasanow von der Präsidialverwaltung in einer Gesprächsrunde auf die Frage nach einer möglichen Olympiabewerbung. „Ich denke, dass wir in der Lage sind, Events auf dem höchsten Level zu veranstalten.“ Sportliche Großereignisse sind stets auch eine Schau der wirtschaftlichen und politischen Leistungsfähigkeit eines Landes, selten wurde dies so offen formuliert wie in Baku. „Ein Ziel war, Aserbaidschan der ganzen Welt bekannt zu machen“, sagte Sportminister Azad Rachimow.

Zumindest das Lob für Organisation und die Qualität der Spielstätten dürfte die Kaukasusrepublik in den Bestrebungen bestärken. „Wir sind sehr zufrieden mit den professionellen Bedingungen der Veranstalter“, sagte Michael Vesper, Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes. „Das ist eine gelungene Premiere gewesen.“ Über eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 als Konkurrent von Hamburg will die wegen Verstößen gegen Menschenrechte und Pressefreiheit kritisierte Alijew-Regierung noch entscheiden. Bis zur Frist am 15. September sei noch „genug Zeit“, so Minister Rachimow.

Zweimal hatte Baku mit seiner Olympiakandidatur nicht einmal die Vorauswahl überstanden, eine dritte Ablehnung wäre eine Schmach für die stolze Nation – aber angesichts der starken Gegner aus Paris, Rom, Boston oder Bu­dapest auch nicht ausgeschlossen. Und so will Aserbaidschan auch nach Erlöschen der Flamme bei den Europaspielen durch hohe Investitionen in den Sport sein Image noch weiter aufpolieren. Nach dem ersten Formel-1-Grand-Prix 2016, den Wettkämpfen islamischer Staaten oder auch Spielen der Fußball-Europameisterschaft 2020 gebe es auch für eine mögliche Leichtathletik-WM 2023 in Baku die nötige Infrastruktur, sagte Sportminister Rachimow. „Wenn die Regierung sich zu einer Bewerbung entscheidet, wird es sehr interessant sein für das Land und die Entwicklung von Leichtathletik in Aserbaidschan.“

Wo die nächsten Europaspiele 2019 stattfinden, ist noch nicht klar. Holland hat seine Bewerbung jüngst zurückgezogen. DOSB-Chef Vesper wünscht sich einen Ort in Westeuropa. Es ist ein frommer Wunsch, denn Aufwand und Kosten für ein Sportevent von zweifelhaftem Nutzen sind enorm.

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