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Archiv-Artikel

MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND Deutschland: Servicewüste

Sauer oder alkalisch? Premium oder Budget? Die fahrenden Händler haben alles. Nur nicht, was ich will

Gewiss, übereifrige, superbemühte, extrem freundliche Verkäufer können nerven. Da gefallen mir wortkarge Holsteiner, die schwermütig und melancholisch in ihren Läden stehen, erheblich besser. Ich erinnere mich gern an einen Buchhändler, der die Buchauswahl seiner Kunden immer so kommentierte: „Das würde ich nicht kaufen. Das ist Schund.“ Nun, was soll ich sagen: Er ist pleitegegangen. Dabei hätte mich interessiert, was er zum „Shades of Grey“-Hype gesagt hätte.

Aber man wird heute wenigstens gefragt, ob man noch etwas anderes haben möchte. Früher bekam man es einfach hingestellt. Ich denke da an die fahrenden Händler, die mit Landwirtschaftsbedarf auf die Höfe fahren. Holger, einer von ihnen, hat mir mal erzählt, wie er damit anfing. Sein Chef hatte einen Lieferwagen gekauft und zu ihm gesagt: „Du fährst jetzt von Dorf zu Dorf, und überall, wo du einen Misthaufen siehst, hältst du an.“ Holger macht das jetzt seit vierzig Jahren. Seine Chefs haben gewechselt, die Tour blieb.

Zurzeit wird unser Hof von drei verschiedenen Händlern angefahren. Alle haben ein etwas unterschiedliches Sortiment, einer mehr auf Pferde und Arbeitskleidung ausgerichtet, der andere auf Zäune und Gummistiefel, der nächste auf Wasserleitungen und Selbsttränken. Eines aber haben sie alle im Angebot: Melkmaschinenreiniger.

Den wollen sie besonders gern verkaufen; wahrscheinlich sind die Gewinnmargen in dem Bereich besser als in anderen Warengruppen. Milchbauern brauchen viel von dem Zeug, abwechselnd sauer und alkalisch, damit die Melkmaschine hygienisch sauber bleibt. Jeder fahrende Händler hat je zwei verschiedene Variationen von sauer und alkalisch: Budget und Premium. Und jeder hat natürlich den besten Reiniger, während die Konkurrenz nur Ramsch verkauft, ist doch klar.

Vor Jahren hatte ich mal eine Auseinandersetzung mit dem, der jetzt nicht mehr kommt. Er war bei mir, ich kaufte ein Paket Nägel, ein Paket Krampen, Kleinkram halt. „Und was ist mit Spülmittel!“, bellte er mich an. „Hab ich noch“, antwortete ich. „Du hast beim andern gekauft!“, schrie er, „für diesen Kleinkram komm ich nicht!“ „Dann musst du wegbleiben“, gab ich zurück. Wütend fuhr er davon.

Als er das nächste Mal kam, war ich nicht zu Hause. Er hatte mir zwei Kanister Spülmittel hingestellt, sauer und alkalisch, und die Rechnung obendrauf gelegt. Ich rief ihn an. „Das habe ich nicht bestellt!“ Und er schrie. „Willst du schon wieder beim andern kaufen? Das erlaube ich nicht!“ Am nächsten Tag holte er seine Kanister wieder ab.

Auch bei den anderen fahrenden Händlern habe ich nicht das Gefühl, König Kunde zu sein. Eher fährt König Händler über Land, und ich muss mich freuen, überhaupt wahrgenommen zu werden.

Zum Beispiel ist keiner so flexibel, auf einen speziellen Wunsch von mir einzugehen. Da ich die Angewohnheit habe, vor Wut mit rechts gegen defekte Landmaschinen zu treten und meine Landmaschinen oft defekt sind, gehen meine rechten Arbeitsschuhe und Gummistiefel kaputt, während die linken noch einwandfrei sind. Also habe ich gefragt, ob sie mir nicht statt eines normalen Schuhpaars jeweils zwei rechte Exemplare verkaufen könnten.

Wollten sie aber nicht. Deutschland! Servicewüste.

Der Autor ist Biobauer in

Schleswig-Holstein Foto: privat