american pie
: „Viel besser als früher“

Die Regeländerungen haben die NHL wieder attraktiver gemacht. Entsprechend steigen Zuschauerzahlen und Fernsehquoten

Gary Bettman ist ein glücklicher Mann dieser Tage. Nichts kann ihm etwas anhaben, nicht einmal eine Rüge von höchster Stelle. Ende vergangener Woche wurde der Chef der National Hockey League (NHL) nach Washington geladen, um dort darzulegen, wie seine Liga gedenke, gegen Doping vorzugehen. Bettman verkündete, die Vergangenheit habe bewiesen, dass solches im Eishockey keine Rolle spiele, und fand 20 Spiele Sperre für Erstsünder vollkommen ausreichend. Dass der Chef des zuständigen Kongress-Ausschusses anschließend der Presse gegenüber seine Verwunderung zum Ausdruck brachte, wie eine Liga ohne vernünftiges Testsystem behaupten könne, Doping sei keines ihrer Probleme, focht Bettman nicht weiter an.

Der Grund der guten Laune: Die NHL hat, wie es scheint, die Stunde null überraschend gut überstanden. 301 Tage hatte der längste Arbeitskampf in der Geschichte des professionellen Sports angedauert, aber die gut 30 Tage, die die neue Saison nun alt ist, waren anscheinend ausreichend, um sich neu zu erfinden. Altgediente Recken wie Mark Messier oder Brett Hull sind zwar zurückgetreten, aber dafür hat die vor der Zwangspause schwer kränkelnde Liga mit Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins ein neues Aushängeschild gefunden, das schon im zarten Alter von 18 Jahren mit dem legendären Wayne Gretzky verglichen wird. Der originale Gretzky betätigt sich seinerseits erstmals als Trainer und coacht nun die Phoenix Coyotes. Weil die Teams weniger Geld als früher ausgeben dürfen, wechselten vor dieser Saison so viele Spieler wie nie zuvor, darunter etablierte Stars wie Peter Forsberg, Paul Kariya, Chris Pronger oder Eric Lindros, die nun für Optimismus sorgen bei ihren neuen Arbeitgebern. Viele Teams haben zudem die Eintrittspreise gesenkt und versuchen mit Fan-Aktionen neue Kunden zu gewinnen: So kann in Nashville die Umkleidekabine der ortsansässigen Predators besichtigt werden und bei den Boston Bruins erhalten Kinder freien Eintritt. Vor allem aber fallen im Schnitt ein Viertel mehr Tore als früher. Kurz: Die alte, ehrwürdige Liga ist kaum wiederzuerkennen und wird überraschend gut angenommen. Die NHL registriert 4,6 Prozent mehr Zuschauer und bessere Fernseh-Quoten als vor der Aussperrung.

Da fühlen sich nicht nur nostalgisch gestimmte Beobachter an die glorreichen 70er- und 80er-Jahre erinnert, als unter der Regie eines überragenden Gretzky solch spektakuläres Eishockey geboten wurde, dass man sich nicht mehr mit der Rolle als kanadische Nationalsportart zufrieden geben wollte, sondern vehement in den Süden und Westen der USA expandierte. „Eishockey ist wieder unterhaltsam“, stellt ebendieser Gretzky nun fest, „es ist viel schneller als noch vor zwei Jahren“. Dafür verantwortlich ist vor allem, dass die NHL den Arbeitskampf dazu nutzte, einige Regeländerungen auf den Weg zu bringen, die das Spiel schneller, torreicher und ansehnlicher machen sollten: Das Verbot des Zwei-Linien-Passes wurde abgeschafft, schnelle Konter so vereinfacht; die Angriffs-Drittel der Eisfläche wurden vergrößert, um es den Verteidigern schwerer zu machen, die Räume zu verengen; auch das in den USA niemals so recht akzeptierte Unentschieden wurde abgeschafft: Bleibt die Verlängerung torlos, wird der Sieger im Penalty-Schießen ermittelt.

Vor allem aber wurden die Schiedsrichter angewiesen, Fouls und Halten viel strenger zu pfeifen. Für Stockfouls wurde eine Null-Toleranz-Politik eingeführt. Deswegen, so Alexei Kovalev von den Montreal Canadiens, ist „das Spiel viel besser als früher, als es eher Ringen war“. Die Folge: Pro Spiel werden durchschnittlich mehr als 13 Strafzeiten verhängt, eine Steigerung um ein Drittel, und in der Folge geht die Torausbeute nach oben. Die wenigen Kritiker werden schnell ruhig gestellt: Als sich Pat Quinn, der Trainer der Toronto Maple Leafs, dazu hinreißen ließ, das Penalty-Schießen als „Gimmick“ zu bezeichnen, brummte ihm die NHL 10.000 Dollar Strafe auf.

Auch ansonsten ist die Liga darum besorgt, ihr plötzlich so positives Image zu bewahren. Bettmann prophezeit nicht nur „eine wundervolle Zukunft“, sondern verspricht auch, man werde sehr genau beobachten, ob den Zuschauern auch weiterhin so viel Action und vor allem viele Tore geboten werden. Sollte der Trend nicht anhalten, so drohten die Funktionäre bereits vorsorglich, plane man weitere Regeländerungen für die neue Saison. Eine Verschärfung der Doping-Regularien gehört bisweilen nicht dazu. THOMAS WINKLER