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Archiv-Artikel

Arbeitskampf nach Gutsherrenart

STREIK Verpackungshersteller scheitert mit Versuch, einen Ausstand gerichtlich verbieten zu lassen

HAMBURG taz | Das Streikrecht bleibt unangetastet: Das Arbeitsgericht im niedersächsischen Verden hat es am Freitag abgelehnt, der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) einen Streik zu untersagen. Mit einem seit drei Monaten andauernden Ausstand kämpfte die Gewerkschaft um einen Haustarifvertag beim Verpackungshersteller Neupack. Dessen Geschäftsführung hatte gegen den Streik eine einstweilige Anordnung erreichen wollen.

Neupack betreibt zwei Werke zur Herstellung von Joghurtbechern in Hamburg-Stellingen und im niedersächsischen Rotenburg an Wümme. Die IG BCE will in dem Familienbetrieb seit einem Jahr einen Haustarifvertrag durchsetzen. Die Inhaber würden die Firma mit ihren 220 Beschäftigten nach „Gutsherrenart“ leiten, so der Vorwurf. Dazu gehörten zum Beispiel unterschiedliche Löhne für gleiche Arbeit, oft unter Tarif, und die willkürliche Streichung von Urlaubsgeldern und Schichtzuschlägen.

Am 1. November vorigen Jahres hatte die IG BCE zum unbefristeten Erzwingungsstreik aufgerufen – ein Novum für die sonst eher an sozialpartnerschaftlichen Lösungen interessierte Gewerkschaft. Die Firmenbosse reagierten mit aller Härte. So ließen sie per einstweiliger Verfügung Blockaden der Betriebstore durch Streikposten untersagen.

Zugleich orderte Neupack polnische Leiharbeiter, die die Produktion aufrechterhalten sollten. Als die Gewerkschaft juristisch dagegen vorging, stellte die Firma die Leute als befristete Aushilfskräfte ein. Arbeitsrechtlich wurden sie aber als „polnische Mitarbeiter“ geführt, da sonst ihr Einsatz als Streikbrecher nach der Rechtssprechung unzulässig ist.

Allmorgendlich kam es zu Konflikten, wenn die Busse die Aushilfsarbeiter brachten. „Der Neupack-Anwalt zeichnete vor Gericht ein Bild, als wenn Krieg an den Werkstoren geherrscht habe und der Streik ein unzulässiger Eingriff in einen Gewerbebetrieb sei“, sagt die Frankfurter IG-BCE-Anwältin Mechthild Garweg.

Der IG-BCE-Bundesvorstand setzte den Streik am Donnerstag dennoch aus – um die Arbeit eines Vermittlers zu erleichtern, wie es hieß. Intern war jedoch zu hören, die Gewerkschaftsführung sei zu dem Schluss gekommen, dass wegen der Leiharbeiter mit der klassischen Arbeitsverweigerung Neupack nicht in die Knie zu zwingen sei. Zu neuen „kreativen“ Arbeitskampfformen sei die Gewerkschaftsführung aber nicht zu bewegen gewesen. KAI VON APPEN