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Archiv-Artikel

„Die nehmen Rücksicht“

PODIUMSDISKUSSION Neue Architektur steht oft in der Kritik – ob zu Recht oder zu Unrecht, ist die Frage

Von BES
Eberhard Syring

■ 61, ist Professor für Architekturtheorie und Baugeschichte an der School of Architecture Bremen sowie Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur (b.zb).

taz: Herr Syring, eins der Impulsreferate heute sieht Architektur gegenwärtig am Pranger. Stimmt die Diagnose?

Eberhard Syring: Mindestens ist eine Tendenz zu beobachten, neue Architektur aus geschmäcklerischen Gründen abzulehnen. Das ist ähnlich wie in den 1970er-Jahren – und richtet sich gerade gegen Entwürfe, die von Wettbewerben als gestalterisch hervorragend ausgezeichnet wurden…

weil bei denen halt gewinnt, wer rücksichtslos den Architekten-Geschmack bedient.

Das ist die Behauptung. Und die geht an der Sache vorbei: Es lässt sich zeigen, dass viele der pauschal aus ästhetischen Gründen abgelehnten Bauten gerade nicht den Fehler der 1970er Jahre begehen. Bauten der sogenannten zweiten Moderne gliedern sich sehr bewusst in ihren historischen Kontext ein. Die nehmen Rücksicht.

Historisch vielleicht. Aber eine Gegenwartsästhetik müsste doch auch dem funktionalen Anspruch Nachhaltigkeit gerecht werden, der Sozialverträglichkeit und der Energie-Effizienz. Davon waren die Bremer Bauherrenpreisträger aber weit entfernt… !

Vielleicht müsste dafür das Kriterium der Nachhaltigkeit stärker in den Mittelpunkt der Ausschreibung gerückt werden.

und die Jury müsste lernen, dass diese Fragen elementar zu einer zeitgemäßen Ästhetik dazu gehören?

Das wäre ein berechtigter Einwand. Allerdings muss man dabei aufpassen, nicht nur ein allgemeines Unbehagen dem Neuen gegenüber zu bedienen. Das wäre Populismus – der nur ein Bauen nach Quotengeschmack zuließe.

Täuscht der Eindruck oder ist die Diskussion, wie schöne Bauform und Nachhaltigkeit zusammen zu bringen sind, in Ländern wie Frankreich weiter?

Das stimmt: Auch in den skandinavischen Ländern wird darüber sehr rege bereits seit Jahren nachgedacht. Vielleicht sind die scharfen Kritiken ja Anzeichen dafür, dass sie jetzt auch in Deutschland beginnt.

INTERVIEW: BES

Über das Unbehagen an Bremens neuen Bauten: 19 Uhr, Roter Salon, Speicher XI