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Archiv-Artikel

Aus Kleve soll jetzt Clever werden

Seit 20 Jahren möchte Kleve eine FH gründen. Nun begann das Abenteuer: Zusammen mit Hochschulen aus Arnheim und Bochum wird Unternehmensnachwuchs geschult. Sozialwesen und Medienmanagement könnten am ‚Campus Cleve‘ folgen

AUS KLEVE LUTZ DEBUS

Artur Leenders hat einen Traum. Er möchte in einer Universitätsstadt wohnen. Aber umziehen will der Unfallchirurg aus Kleve und Krimiautor nicht. So hat sich der Ratsherr der Grünen vor Jahren mit anderen Honoratioren zusammengesetzt. Herausgekommen ist der Plan, in dem niederrheinischen Städtchen mit seinen etwa 50.000 Einwohnern eine Internationale Fachhochschule zu gründen. Ganz im Osten der Republik gibt es ja bereits seit 500 Jahren die Viadrina Frankfurt/Oder. Obwohl die Westgrenzen viel durchlässiger sind, findet sich aber hierzulande nichts vergleichbares.

1999 verständigten sich die Bildungsminister in der Europäischen Union, Hochschulabschlüsse zu vereinheitlichen – und aus dem deutschen Diplomstudiengang wurde der Bachelor. Doch der neue Abschluss beinhaltete noch keine gemeinsame akademische Ausbildung. Während Normalverbraucher zum Shoppen längst das Nachbarland aufsucht, Soldaten in gemeinsamen Batallionen stationiert sind, Wirtschaftsunternehmen ohnehin international denken, ist Hochschulpolitik immer noch stramm an den Kirchturm der jeweiligen Landeshauptstadt gebunden.

Schon seit 20 Jahren gespenstert die Idee einer FH also in Kleve durch die Gremien der Stadt. Es wurden Anträge an das Wissenschaftsministerium gestellt. Und stets wurde man auf den nächsten Hochschulrahmenbedarfsplan vertröstet. Dann wählten Leenders und die seinen einfach ein anderes Vorgehen: „Wir fangen einfach mal an.“

Die Klever Wirtschaftsförderung und der Niederländisch-Deutsche Business-Club nahmen Kontakt zur „Hogeschool van Arnhem en Nijmegen“ und zur FH Bochum auf. Ergebnis: Beide Hochschulen bieten nun ein gemeinsames Seminar an – in Kleve. 23 junge Führungskräfte aus den Niederlanden und Deutschland treffen sich seit Ende Oktober wöchentlich in einer malerischen Wasserburg. Professoren und Lehrbeauftragte aus beiden Ländern bieten Vorlesungen und Übungen an. Der Sprachgebrauch hat babylonische Züge. Hauptsprache der Wirtschaftswissenschaftler ist natürlich Englisch. Aber Niederländisch und Deutsch wird auch benutzt.

Die berufsbegleitende Fortbildung will Möglichkeiten vermitteln, grenzüberschreitend unternehmerisch tätig zu werden. Zwar sind auch Mitarbeiter von multinational agierenden Großunternehmen wie Daimler- Crysler unter den Teilnehmern. Aber das „1. European Young Leadership Seminar“ soll vor allem dem regionalen Mittelstand helfen, im Grenzland erfolgreicher zu sein.

„Campus Cleve“ steht schon etwas klotzig auf den Broschüren der beiden Hochschulen. Trotzdem hat Kleve noch keine eigene FH. Aber Artur Leenders plant aber schon weiter: Seit September gibt es einen Förderverein, 130 Menschen kamen zur Gründungsversammlung. Alle Bürgermeister der Region waren da. Auch die Rektoren der Hochschulen von Nijmwegen und Bochum reisten an. Einstimmig hat der Rat der Stadt Kleve die geplante Ansiedlung einer FH unterstützt. Die in Kleve regierenden Parteien CDU und Grüne erhoffen sich so eine Belebung der recht übersichtlichen regionalen Ökonomie, in der Bo-Frost, Diebels und die Landwirtschaft den Takt vorgeben.

Die neue Hochschule soll nicht nur ein Fach anbieten. Leenders, Mitglied im Autorenterzett für Niederrhein-Krimis, hat ein weiteres Thema im Visier: Bereits im 18. Jahrhundert gab es in Kleve die internationale Malerschule von Barend Cornelis Koekkoek. Sowieso sei Kleve als Heimat von Joseph Beuys und Ewald Mataré eine Künstlerstadt, meint Leenders. Jetzt soll aber weder Ölmalerei noch Gestalten mit Filz und Fett gelehrt werden. Leenders steht mit der FH Düsseldorf in Verhandlungen. Der Fachbereich Bild- und Toningenieur hat Interesse ein Seminar für Medienmanagement in Kleve anzubieten. Und in Arnheim gebe es eine FH für Musik. In Zeiten, in denen das halbe Fernsehprogramm aus einem Stadtstaat südlich der Niederlande kommt, da sei ein Studiengang für Medienmanagement keine abwegige Idee, glaubt Leenders.

Auch in einem Fachbereich Sozialwesen sieht der grüne Klever große Chancen. Im Kreis seien soziale Einrichtungen die größten Arbeitgeber. Das niederländische Sozialsystem unterscheide sich in vielen Aspekten. Und durch einen regen fachlichen Austausch könne man nur profitieren.

Das bleibt noch Zukunftsmusik: Zunächst präsentieren am 30. Januar die Teilnehmer des „1. European Young Leadership Seminar“ ihre Projekte der Öffentlichkeit. Im Anschluss werden die Zertifikate übergeben. Und angestoßen wird ganz bestimmt mit Genever, Altbier und Champagner.