: CDU-Staatsmann stellt Parteiposten in Frage
Kann der überparteiliche Bundestagspräsident Lammert seine CDU-Ämter behalten? Der zweite Mann im Staat denkt offenbar darüber nach, zumindest den Vorsitz der Revier-CDU aufzugeben. Spekulation um Landesgruppenposten
BOCHUM taz ■ Nachdem PDS-Chef Lothar Bisky am Dienstag im vierten Wahlgang zum Bundestagsvizepräsidenten gescheitert war, sang CDU-Generalsekretär Volker Kauder das hohe Lied der parteipolitischen Neutralität. „Ich habe den Ausgang so erwartet“, sagte Kauder, und führte die Niederlage des Ostdeutschen auf dessen Amt als Linkspartei-Vorsitzender zurück. Es sei nicht gut und nicht akzeptabel, wenn ein amtierender Parteivorsitzender dieses Amt übernehme, das Überparteilichkeit verlange. Allerdings ist auch Bundestagspräsident Norbert Lammert ein CDU-Parteipolitiker mit einflussreichen Posten. Der 56-jährige Bochumer ist NRW-Landesgruppenchef im Bundestag und Vorsitzender der Ruhrgebiets-CDU. Nun denkt der Bundestagspräsident offenbar darüber nach, zumindest eines seiner Politämter aufzugeben.
In einem Radiointerview antwortete der – laut Grundgesetz nach dem Bundespräsidenten – zweite Mann im Staate auf die Frage, ob er das Amt des CDU-Bezirkschefs Ruhr zur Verfügung stellen werde: „Die Frage wird sich in der Tat für mich recht bald stellen, zumal ich fast 20 Jahre, und damit eigentlich eher zu lange als zu kurz, dieses Amt wahrnehme.“ Jedoch mache es natürlich einen Unterschied, ob sich „Parteiämter auf genau der gleichen Ebene ergeben, auf denen diese Verfassungsposition als Parlamentspräsident wahrzunehmen ist, oder ob das in einem doch regional abgegrenzten Bereich stattfindet“, verklausulierte Lammert seine Aussage.
Bis auf dieses Interview-Statement hat sich der Parlamentspräsident bislang nicht zur Zukunft seiner Politämter erklärt. „Kein Kommentar“, heißt es aus Lammerts Berliner Abgeordnetenbüro über die „Spekulationen“, er könne in den nächsten Monaten von seinen Parteiposten zurücktreten. Allerdings wird bei der Revier-CDU bereits ein möglicher Nachfolger für den Bezirkschef gehandelt. „Der Oliver Wittke läuft sich doch seit Jahren für den Posten warm“, sagt ein CDU-Politiker aus Lammerts Heimatstadt Bochum. Wittke, NRW-Verkehrsminister und bis 2004 Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen, gilt als bekanntester Politiker der Christdemokraten an der Ruhr.
Ob Norbert Lammert Sprecher der CDU-NRW-Landesgruppe im Bundestag bleiben kann und will, ist ebenfalls offen. Die 49-köpfige konservative Kombo aus dem größten CDU-Landesverband gilt als mächtiger Block in der Unionsfraktion – zumal die Rhein-Ruhr-Christdemokraten drei Abgeordnetenmandate mehr haben als die CSU-Landesgruppe aus Bayern. Der Sprecherposten ist umso politischer, weil die CDU-NRW bei der Besetzung des Kabinetts von Kanzlerkandidatin Angela Merkel übergangen worden war (taz berichtete). Besonders NRW-Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Jürgen Rüttgers zeigte sich nach Merkels Personalentscheidungen enttäuscht und verärgert. Bei einer gemeinsamen Klausurtagung mit Merkel und Rüttgers sei der Unmut vor zwei Wochen nicht offen ausgebrochen, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordnter. „Sachlich und geschäftsmäßig“, sei die Atmosphäre gewesen. Beide Seiten wüssten, dass es nicht zum Dauerkrach zwischen Bundes- und Landes-CDU kommen dürfe, wenn man eine erfolgreiche Regierung Merkel wolle. „Herzlich ist das Verhältnis zwischen Rüttgers und Merkel aber nicht.“
In den nächsten Wochen will die Landesgruppe bei der Besetzung von Fraktions- und Staatssekretärsposten Ämterkompensationen für die übergangene CDU-NRW erreichen. Ob der Staatsmann Lammert noch der Richtige ist für Postenfeilscherei und NRW-Lobbying? Angeblich werde der Präsident den Gruppenvorsitz Ende 2005 abgeben, heißt es aus der Riege der NRW-Parlamentarier. MARTIN TEIGELER