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ZockerfilmAlles auf eine Karte

Kommentar von Anke Leweke

Der Pokerspieler ist die ideale Kinofigur. Er lebt von Show und Verstellung. Genau wie Curtis Hansons "Lucky You".

Pokern mit Eric Bana und Drew Barrymoore. Bild: warner

A m Anfang von Curtis Hansons "Lucky You" gibt es eine kleine Trockenübung. Eric Bana spielt Huck, einen unverbesserlichen Pokerspieler aus Las Vegas. Wieder einmal hat er alles Geld im Casino gelassen. Nun versucht er, seinen Fotoapparat im Pfandhaus zu versetzen. Das Feilschen mit der abgebrühten Inhaberin wird zur Pokerrunde am Tresen und zur ersten Begegnung mit einem Helden, der seine Spielerqualitäten auch jenseits der Zockermeile anzuwenden weiß. Schon sitzt Huck mit den paar Scheinen, die er ergattert hat, wieder am grünen Tisch, verkauft nun sein Kartenblatt als das beste in der Runde.

Der Pokerspieler ist eine ideale Kinogestalt. Er geht immer aufs Ganze, setzt alles auf eine Karte. Im Moment der größten Spannung muss er die Emotion aus seinem Gesicht verbannen, um den Gegenspieler zu täuschen. Pokern ist die Kunst des Verstellens, des falschen Scheins, der Show im Spiel. Nur wir, die Zuschauer, dürfen mit der Kamera den Blick über die Schulter des Gamblers werfen, lernen die Tricks und das Pokerface zu lesen. Doch obwohl wir in seine Karten schauen, bleibt uns der Spieler ein Rätsel. In Spielerfilmen geht es um einsame Existenzen, um Getriebene, die von unsichtbaren Mächten immer wieder an den Spieltisch gezogen werden. Der Reiz des Genres liegt in diesem Paradox einer Figur, der man nahe kommt, ohne sie zu verstehen.

In "Lucky You" unternimmt Curtis Hanson jedoch allerlei tiefenpsycholgische Erkärungsversuche und stellt plakativ die Unbehaustheit der Spielerseele aus. Huck wohnt in einem Haus ohne Möbel, ohne Wärme, ohne Wasser im Pool. Am liebsten würde man den armen Kerl an die Hand nehmen ins nächste Möbelhaus marschieren. Wie jeder Spieler ist er auch beziehungsunfähig. Am Morgen danach wacht die von Drew Barrymoore gespielte Nachtclubsängerin nicht nur ohne Huck, sondern auch ohne Geld in der Brieftasche auf. Widerstrebend muss man mit anschauen, wie sich der Fokus der Geschichte aus den Zockersälen von Las Vegas ins Auf und Ab einer Paarbeziehung bewegt.

Mit therapeutischem Eifer entdeckt Hansons Film die Ursache allen Übels in einem ausgewachsenen Vaterkomplex. Auch Hucks alter Herr ist ein Spieler. Wenn dieser Großzocker auftritt, entgleiten dem Sohnemann alle Gesichtszüge.

Nun ist das Casino nicht der richtige Ort, um von Wiederholungszwängen und unaufgearbeiteten Traumata zu erzählen. Doch mit der von Robert Duvall gespielten Pokerlegende kommt der Film endlich in seinem Element an. In seinen Szenen, gedreht an Originalschauplätzen mit echten Spielern während der Weltmeisterschaft, ist sie da, die Faszination, die von den unergründlichen Pokerfaces ausgeht. Plötzlich fiebert man mit. Auch wenn wir Duvalls Blatt sehen, lässt er sich trotzdem nicht in die Karten schauen.

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