Die Grünen: Tornado-Parteitag

Ein Sonderparteitag zum Thema Afghanistan wird immer wahrscheinlicher: Nur noch ein Kreisverband muss sich dem Antrag anschließen.

Renate Künast in Aktion: Hat die Bundestagsfraktion mit ihrer Zustimmung zum Tornado-Einsatz die Beschlüsse der Partei missachtet? Bild: dpa

BERLIN taz Der Unmut an der Grünen-Basis über das Thema Afghanistan wächst weiter: 43 Kreisverbände haben sich bereits der Forderung angeschlossen, noch vor dem Herbst außerplanmäßig einen Sonderparteitag einzuberufen. 10 Prozent aller Kreisverbände müssen es sein, das sind 44 - es fehlt also nur noch ein einziger. Ein weiterer Kreisverband steht angeblich kurz davor, seinen Antrag an den Bundesvorstand loszuschicken. Damit wäre das erforderliche Quorum erreicht.

"Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass wir einen Sonderparteitag abhalten werden", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth gestern diplomatisch.

Eigentlich soll der nächste Parteitag erst im Dezember stattfinden. Dies jedoch ist den Antragstellern zu spät. Denn der Bundestag stimmt voraussichtlich im Oktober darüber ab, ob und in welcher Form der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verlängert wird. Eine offizielle Debatte über die Haltung der Grünen muss also vorher stattfinden, argumentieren die unzufriedenen Kreisverbände.

Die Parteiführung hatte zur Beschwichtigung vorgeschlagen, eine solche Diskussion auf die Tagesordnung des Grünen Länderrates zu setzen, der für den 15. September in Fulda geplant ist. Dies lehnen die 43 Kreisverbände ab: Ein Länderrat sei schließlich ein Treffen von "Parteifunktionären".

In Berlin ist man von der Idee eines Sonderparteitags wenig entzückt. Da wären zunächst die hohen Kosten - Mitglieder des Vorstands gehen von an die 300.000 Euro aus. Davon entfallen auf den Bundesvorstand 30, auf die Landesverbände 70 Prozent. Diese wälzen die Kosten letztlich auf die Kreisverbände ab. Von denen müsste die große Mehrheit dann eine Veranstaltung mitfinanzieren, die nur eine kleine Minderheit - nämlich 10 Prozent - gewollt hat. Hinzu kommt die organisatorische Herausforderung, für mehr als 800 Delegierte so kurzfristig eine Halle zu finden.

Auch verweist die Parteispitze auf den letzten Parteitag im Dezember 2006 in Köln. Dort wurde bereits ausführlich über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan diskutiert. Die Delegierten fassten den Beschluss, dass eine Ausweitung der Beteiligung auf Kampfgebiete im Süden des Landes abzulehnen sei. Genau damit argumentieren nun auch die Befürworter des Sonderparteitags: Der Tornado-Einsatz, dem auch die Grünen im März mit knapper Mehrheit zustimmten, sei in Wirklichkeit genau dies: eine Ausweitung auf den Süden. Die Fraktion halte sich nicht an die Beschlüsse der Partei.

Sonderparteitag hin oder her - letztlich darf jeder Abgeordnete nach eigenem Gewissen entscheiden. Einige werden ihre Entscheidung aus ehrlicher Überzeugung treffen, andere mit Blick auf die Chancen, bei anstehenden Wahlen einen guten Listenplatz zu ergattern. Bisher geht die Fraktion davon aus, dass die Mehrheit das Mandat für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Isaf-Schutztruppe verlängern will, die Beteiligung am Antiterrorkrieg (OEF) jedoch ablehnt.

Dabei werden die Grünen nicht das Zünglein an der Waage spielen: Die Mehrheit für die Verlängerung aller drei Mandate gilt als sicher. Nur wenn die SPD fast geschlossen mit "Nein" bei einem der Mandate stimmt, könnte dessen Verlängerung gekippt werden. Dies ist aber, bei allem Unmut unter den Sozialdemokraten, nicht absehbar.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.