piwik no script img

Rugby in Perfektion

Alba verliert im Uleb-Cup 86:89 gegen Aris Saloniki, die Berliner Basketballer gewinnen allerdings an Zuversicht

BERLIN taz ■ In seinem Überschwang schnappte sich Corey Brewer einen Schiedsrichter. Er hob Signore Cicoria wie einen Boxsack in die Höhe und drehte eine Pirouette mit dem grauhaarigen Herrn aus Italien. Der überrumpelte Referee wusste gar nicht, wie ihm geschah. Ganz wohl war ihm bei der Schmuseattacke nicht. Im Gegensatz zum Spieler von Saloniki, dessen Endorphine eine kleine Orgie feierten, blieb Schiris Miene säuerlich. Brewer war das egal. Er wollte sich bedanken. Dafür, dass Herr Cicoria seinen Wurf zum 86:89 gut gegeben hatte, den Wurf des Spiels. Brewer hatte die hochdramatische Partie, für beide Teams der Auftakt im Uleb-Cup, mit einem Dreipunktwurf in letzter Zehntelsekunde für die Griechen entschieden. Wie Springteufel tanzten die Aris-Profis hernach übers Parkett, beglückt von solch ballistischer Finesse ihres Scharfschützen.

Die mehr als 7.000 Zuschauer im Locus interruptus, der Max-Schmeling-Halle, hatten sich nach dem finalen Schuss schnell wieder gefangen. Alba Berlin wurde beklatscht und gefeiert. Die Fans hatten einen munteren Schlagabtausch gleichstarker Gegner gesehen. „Aris hat am Ende besser gespielt, das hat den Unterschied ausgemacht“, hielt Coach Henrik Rödl fest. „So einen Lucky Shot zu bekommen, ist bitter.“ Auch wenn nun eine Heimniederlage zu Buche stehe, müsse Alba keineswegs verzagen. „Wir haben nicht unseren besten Basketball gespielt – und trotzdem fast gewonnen“, meinte Rödl. Außerdem habe Aris ungewöhnlich gut getroffen. „Sie sind sehr auf Risiko gegangen.“ Sie hätten „hochprozentige“ Würfe genommen, mitunter sieben Meter oder mehr vom Korb entfernt. „Normalerweise geht das nach hinten los.“ Nun müsse eben ein Auswärtssieg her, sagte Rödl. Vier von sechs Teams pro Gruppe kommen im Uleb-Cup, der in der Wertigkeit hinter der Euroleague rangiert, in die nächste Runde. Das dürfte für Alba kein Problem sein. Das Team hat sich nach einem zweijährigen Moratorium wieder gefunden. Es spielt schnellen, attraktiven Basketball. In der nationalen Liga dominieren die Berliner fast nach Belieben. Es scheint, als könnten sie an alte Hegemonialzeiten anknüpfen. Allein die Zahlen belegen dies. Die Wurfquote liegt bei 56 Prozent, im Schnitt erzielt Alba 96,6 Punkte pro Partie.

Es war klar, dass diese Werte auf europäischer Ebene sinken werden. Die Quote für Zweier ging denn auch prompt um zwanzig (!) Prozentpunkte zurück, was vor allem an den griechischen Defensivkräften und deren handfestem Zupacken unterm Korb lag. Dort standen gleich zwei Schrate von baumlangem Wuchs, darunter der Riese Alexander Koul, groß geworden in den Wäldern Belorusslands. Die Alba-Spieler ließen sich aber nicht kirre machen, zogen mutig zum Korb oder schossen aus der Distanz, was vor allem Mike Penberthy in Perfektion tat. Der US-Amerikaner, mit den Los Angeles Lakers 2001 Meister geworden, erzielte am Dienstagabend 31 Punkte. Als Herausforderung begreife er den Uleb-Cup, sagte Penberthy nach dem Match, „auch weil es eine ganz andere Liga als die deutsche ist“. Welche, verriet er auch. Der Uleb-Cup sei eine „Rugby-Liga“, sagte der US-Amerikaner, der sich im Spielverlauf ein Dutzend Mal über Schiedsrichter-Entscheidungen mokiert hatte. „Hier regiert der europäische Basketball-Stil“, wusste er. Diese Art habe er mit Pompea Neapel zwar schon kennen gelernt, „aber in den letzten zwei Monaten bin ich damit nicht in Berührung gekommen“.

In der Bundesliga zieht sich Penberthy gemeinhin auf einen ruhigeren Posten zurück. Er tritt nicht so sehr als Punktesammler in Erscheinung, er setzt seine Mitspieler vielmehr ein – und vergießt kaum einen Tropfen Schweiß dabei. Nicht so im Uleb-Cup, dem eigentlichen Testfeld für Albas Ambitionen. „Europa verlangt eine andere psychologische Einstellung“, verriet Mike Penberthy. Er hatte sie gefunden. Corey Brewer allerdings auch.

MARKUS VÖLKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen