Atomstrom: Widerstand gegen AKW in Litauen

Weil die Grünen gegen das neue Atomkraftwerk mobil machten, gab es eine Sondersitzung im estnischen Parlament. Auch Polen zögert mit der Beteiligung am Neubau.

Atomstrom aus Litauen für deutsche Eon und Co. Bild: dpa

STOCKHOLM taz In Estland formiert sich der politische Widerstand gegen eine Beteiligung des Landes am Bau eines neuen AKW in Litauen. Die Fraktion der Grünen sammelte jetzt genug Unterschriften von Abgeordneten, um das estnische Parlament trotz Ferien zu einer Sondersitzung zusammenzurufen. Diese wird am Montag kommender Woche stattfinden. Auf der Tagesordnung sollen zwei Gesetze stehen, welche der Regierung praktisch erst einmal verbieten würden, weitere Verhandlungen für einen AKW-Neubau zu führen, solange sie nicht einen langfristigen Energieplan für das Land vorgelegt hat.

Bislang fährt Tallinn nämlich dreispurig. Einerseits plant man den Bau von zwei mit Ölschiefer befeuerten Kraftwerken. Ökologisch und klimapolitisch wäre dies zwar äusserst fragwürdig, weil der im Land reichlich und damit billig vorhandene Ölschiefer einer der schmutzigsten Energiequellen überhaupt ist. Doch der Strombedarf Estlands wäre damit gedeckt. Andererseits setzt die regierung auf eine Beteiligung an einem gemeinsamen baltischen AKW-Projekt. Und zusätzlich wurde im Dezember letzten Jahres auch noch ein Stromkabel mit Finnland mit einer Kapazität von 350 MW eingeweiht, wobei die staatseigene Elektrizitätsgesellschaft Eesti Energia klarmachte, dass sie sich am allerliebsten an einem finnischen AKW-Neubau beteiligen würde.

Alle Projekte zusammengenommen seien nicht nur unnötig, sondern auch nicht finanzierbar, meinen die Grünen. Und das Potential alternativer Energiequellen, vor allem der Windkraft an Estlands langer Ostseeküste, sei noch überhaupt nicht berücksichtigt. Sie können sich zusammen mit den gleichgesinnten Parteien der Linksopposition auf immerhin 41 von 101 Stimmen im Parlament stützen.

Gleichzeitig ist weiterhin unklar, welche Linie zu den AKW-Plänen eigentlich Warschau verfolgt. Nachdem die für den 6. Juli geplante Unterzeichnung eines Regierungsabkommens für einen AKW-Neubau in Litauen gescheitert war, weil Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski zu diesem Treffen nicht erschienen war, verging auch der damals als Ausweichtermin genannte 30. Juli ohne einen entsprechenden Vertragsschluss.

Hierfür dürften nicht nur die aktuellen innenpolitischen Turbulenzen in Polen verantwortlich sein. Zwischen den baltischen Staaten besteht offensichtlich keine Einigkeit über den Umgang mit den polnischen Wünschen. Warschau möchte einen Stromanteil von 1000 bis 1200 MW für sich haben. Selbst wenn man einen 1600 MW-Reaktor, wie derzeit in Finnland im Bau, realisieren wollte, würde damit für Litauen, Lettland und Estland nicht genügend übrig bleiben. Der Bau von zwei solcher Reaktoren wäre angesichts des Preises von rund acht Milliarden Euro nicht nur ein kaum zu stemmender finanzieller Kraftakt, sondern würde auch zu einer Stromüberproduktion führen, für die erst einmal Käufer gefunden werden müssten.

Locken könnte der deutsche Markt, zumal Eon und Vattenfall bereits Interesse bekundet haben. Doch dazu bedürfte es einer neuen Stromtrasse von Litauen nach Polen und weiter nach Deutschland. Für den Bau einer solchen haben Polens PSE und Litauens Lietuvos Energija am 1. August auch eine Absichtserklärung unterschrieben. Darauf, dass die Deutschen in zehn Jahren willige Atomstromkunden sind, wagt man sich aber nicht zu verlassen. Denn das finanzielle Risiko für dieses Projekt wollen die beiden Elektrizitätsversorger nicht selbst übernehmen. Die Leitung werde nur zustande kommen, wenn die EU "mindestens" drei Viertel der Kosten trage, erklärte PSE-Chef Pawel Urbanski.

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