piwik no script img

Auf Abzocke

In der Sommerpause der Fussballbundesliga laufen die Geschäfte für die etwa 800 Spielervermittler besonders gut. Und sie verdienen fürstlich.

Auch Kevin Kuranyi steht in Fahrians Kartei. Bild: dpa

Seine ersten Deals fädelte Wolfgang Fahrian ein, als er noch selber auf dem Platz stand: So manchem unzufriedenen Spieler, erzählt der deutsche WM-Torhüter von 1962, habe er zu einem neuen Verein verholfen. Nach seinem Karriereende in den Siebzigerjahren wurde Fahrian zu einem der ersten professionellen Spielervermittler der Bundesliga. "Ich hab mich einfach ans Telefon gesetzt und die Vereine gefragt, ob bei ihren Spielern bald ein Vertrag ausläuft." Für die habe er dann einen neuen Verein gesucht. Im Prinzip, sagt er, laufe das immer noch so ab. Nur viel, viel größer eben.

Heute ist Fahrian 66 Jahre alt und Geschäftsführer der Rogon GmbH & Co. KG. Mit etwa zwanzig Mitarbeitern ist sie eine der größten Vermittlungsagenturen für Fußballprofis in Deutschland, zuständig für über hundert Spieler, darunter Kevin Kuranyi, Tim Wiese oder Fernando Meira. Ihre Scouts sind weltweit auf der Suche nach Talenten. Auf Fahrians Schreibtisch - groß wie ein Billardtisch und ein Geschenk des Kölner Fußballpatriarchen Jean Löring - stapeln sich die DVDs turmhoch: Gigabytes mit Toren, Flanken, Dribblings.

Neben Rogon gibt es noch weitere große Agenturen wie "Stars & Friends". Doch auch viele kleine Fische versuchen ihr Glück: Insider schätzen die Anzahl der in Deutschland arbeitenden Spielervermittler momentan auf rund 800. "Da ist der Einwanderer, der in Tunesien einen Spieler kennt. Und da ist der Manager bei BMW, dessen Schwester die Frau des argentinischen Nationaltrainers ist", sagt Bernhard Schmeilzl, Vorsitzender des Berufsverbands deutscher Spielervermittler und Sportmanager. Außerdem jede Menge Anwälte, die nebenher ein Geschäft einfädeln. Viele der kleinen Fische betreuen Fußballer in niedrigeren Klassen oder in schwächeren ausländischen Ligen. Doch selbst in der Regionalliga können bei einem Deal um die 20.000 Euro rausspringen, sagt der sportliche Leiter eines Vereins dieser Klasse.

Die Meisten wollen aber höher hinaus: Allein im Büro von Bernd Legien, Chef-Scout beim Bundesligisten HSV, treffen wöchentlich bis zu fünfzig Spieler-DVDs ein, eingeschickt von Spielervermittlern, die auf den Durchbruch ihrer Schützlinge hoffen. Haben sie Erfolg, beläuft sich die Provision in der Regel auf 10 Prozent der Ablösesumme plus 10 Prozent des gesamten Spielergehalts während der Vertragslaufzeit. Wechselt ein echter Star, kann der Vermittler eine siebenstellige Summe kassieren.

Offiziell überwiesen die Bundesliga-Klubs den Beratern in der Saison 2005/2006 über 32 Millionen Euro, rund 8 Millionen mehr als in der Saison davor. Die Rechnungen begleichen meistens die Vereine. Wenn die Spieler zahlen, dann höchstens 14 Prozent ihres ersten Bruttojahresgehalts, weil der Staat Arbeitnehmer bei Vermittlungen schützen will. Zahlt dagegen der Verein als Arbeitgeber, sind die Summen nach oben offen. Diskretion ist hier häufig Ehrensache.

Um etwas mehr Transparenz in das Beratergeschäft zu bringen, führten Fifa und Deutscher Fußball-Bund (DFB) Mitte der Neunzigerjahre ein Reglement und eine Lizenz ein. Seitdem dürfen nur noch Rechtsanwälte, Angehörige des Spielers und die mittlerweile etwa 150 Inhaber der DFB-Lizenz vermitteln. Jeder Vermittlungsvertrag muss Angaben über das Honorar beinhalten und zum DFB geschickt werden. "Aber was in der Praxis passiert, hat kaum etwas mit den Reglements zu tun", sagt ein Kenner. Habe ein Berater keine Lizenz, lasse er den Vertrag von einem Strohmann mit Anwaltstitel unterschreiben. Oder er verzichte ganz auf Verträge und besiegle seine Geschäfte per Handschlag.

Die Vereinigung für Vertragsfußballspieler rät gegenüber solchen Praktiken zur Vorsicht. Ein Spieler müsse unbedingt wissen, wie viel sein Berater an ihm verdiene, sagt Sprecher Ulf Baranowsky, denn eine zu hohe Provision würden die Vereine bei den Spielergehältern wieder einsparen. Prinzipiell hat der Gewerkschaftssprecher nichts gegen die Vermittler: "Wenn ein Spieler sich nur auf den Sport konzentrieren will oder seinen Marktwert nicht kennt, dann kann ein Berater durchaus sinnvoll sein."

Einzelkämpfer wie Werder Bremens Stürmer Ivan Klasnic haben es schwer beim Vereinswechsel, denn die Vertragsverhandlungen werden komplizierter: Nicht nur um das Gehalt wird gefeilscht, es geht auch um die Rechte am eigenen Bild oder um Werbeverträge. Viele Spieler sind überfordert. Und auch in anderen Lebensbereichen greifen die Profis gern auf die Dienste der Betreuer zurück. So kümmert sich die Agentur Rogon um die Sprachkurse und Immobiliengeschäfte ihrer Spieler - und als Kuranyi heiraten wollte, übernahmen Fahrians Mitarbeiter die Vorbereitungen. Regelrechte Ersatzväter seien die Vermittler manchmal, sagt der Jugendkoordinator eines deutschen Klubs.

Im Idealfall für den Vermittler ist sein Spieler ihm hörig. Eine enge Bindung sei die Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg, sagt Rechtsanwalt Tom Eilers, der Spielervermittler juristisch berät. Als Exprofi weiß er: "Wenn ein anderer Vermittler dem Spieler ein Angebot von einem neuen Verein vorlegt, dann wird der Spieler schnell abtrünnig." Vermittler, die es nicht durch Beziehungspflege schaffen, Spieler langfristig an sich zu binden, versuchen es stattdessen gern mit den verbotenen Exklusivverträgen. Jüngstes Beispiel ist ein Profi aus Afrika: Der spielte erst in der Bundesliga, wurde dann arbeitslos, woraufhin sein Vermittler verschwand. Als der Spieler auf eigene Initiative einen Oberliga-Klub gefunden hatte, tauchte der Vermittler wieder auf und forderte mit Hinweis auf einen Vertragspassus eine Provision. Der Spieler wehrte sich und brachte mit Hilfe der Gewerkschaft Licht in die Machenschaften des väterlichen Freundes. Der hatte den Afrikaner zwei unterschiedliche Verträge unterschreiben lassen: einen legalen für die Akten des DFB und einen fürs eigene Portemonnaie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!