BISKYS SCHEITERN: DIE ENTSCHEIDUNG DES BUNDESTAGS WAR WEISE
: Die Altlasten der Republik

Diese Mehrheit ist infam, hat an dieser Stelle gestern Bettina Gaus zur Nichtwahl von Lothar Bisky geschrieben. Doch das Gegenteil ist richtig: Diese Mehrheit ist weise. Lothar Bisky ist nicht ins Präsidium der obersten deutschen Volksvertretung gewählt worden, weil er da nichts zu suchen hat. Dem Parlament ist damit ein weiterer Ansehensverlust erspart geblieben.

Globke, Filbinger, Kiesinger – gern und ausgiebig hat die Partei des Demokratischen Sozialismus nach Biskys Nichtwahl das altbundesrepublikanische Nazi-Lied angestimmt. Egal ob der Rassenhasser Hans Globke, ob Nazi-Richter Hans Filbinger, ob Nazi Georg Kiesinger – Gesinnungslumpen, so die Argumentation, können es in diesem Land sehr weit bringen. Antifaschistisch und links – die PDS ist angetreten, wachsam gegen solche Gesinnungslumperei vorzugehen. Und das ist auch gut so.

Dumm nur, wenn dann Gesinnungslumpen anderer Art auf PDS-Ticket in den Bundestag einziehen. IM Willy, IM Dieter – noch mal zur Erinnerung: Stasi-Spitzel waren jene „Inoffiziellen Mitarbeiter“, die zum eigenen Vorteil dafür sorgten, dass kluge junge Menschen nicht studieren durften, dass aufrichtige Menschen „zersetzt“, also seelisch zerstört wurden und Oppositionelle in den Knast kamen. Jetzt entscheiden solche Stasi-Spitzel die Geschicke der Bundesrepublik – nach bestem Wissen und Gewissen, wie es heißt.

Hat Parteichef Lothar Bisky da was übersehen? Hat er den Widerspruch nicht bemerkt? Ist er zum Wohle seiner Partei – und zu seinem eigenen – dagegen vorgegangen? Er ist es nicht – und hat sich so gemein mit den Gesinnungslumpen gemacht.

Gut, dass sein Stuhl im Präsidium des Hohen Hauses leer bleibt. Gern möchte man Die Linke.PDS als bundesrepublikanische Realität der Berliner Republik verstehen können. Solange die Partei aber zweifelsfrei begangenes Spitzeltum goutiert, so lange ist sie, was jetzt der freie Präsidiumsstuhl symbolisiert: eine deutschdemokratische Republiksaltlast. Wäre es nach den Spitzeln gegangen, säßen wir heute noch hinter jener Mauer, die gestern vor 16 Jahren überrannt wurde. Stasi-Spitzel sollten heute in Frieden leben dürfen. Aber nicht im Bundestag entscheiden. NICK REIMER