: „Noch nicht reif für den Strafgerichtshof“
Ein Betreuer geflohener Kindersoldaten in Uganda über den andauernden Krieg im Norden des Landes
taz: Der Internationale Strafgerichtshof hat gegen fünf Führer der nordugandischen Rebellenbewegung LRA (Lord’s Resistance Army) Haftbefehl erlassen. Wie beeinflusst das die Lage im Kriegsgebiet?
Jean-Bosco Aludi: Die Aktivitäten der Rebellen hatten in letzter Zeit abgenommen. Manche Führer haben sich gestellt, andere sind getötet worden. Aber es gibt jetzt einen Widerspruch: Wir haben ein Amnestiegesetz, das Kindersoldaten und ihre Kommandanten zur Aufgabe des Kampfes bewegt, und zugleich will der Strafgerichtshof die höchste Führungsriege verhaften. Vielleicht ist die Zeit für den Strafgerichtshof noch nicht reif. Lasst uns erst mal die Amnestie durchführen.
Geben jetzt also keine Rebellen mehr auf?
So scheint es. Die Kommandanten denken, dass man sie ins Gefängnis stecken wird. Sie erhöhen den Druck auf ihre Kämpfer, sie nicht alleine zu lassen.
Gibt es wieder mehr Kindesentführungen?
Die haben abgenommen, denn die Rebellen haben nicht mehr die Kapazität, so viele Leute auf Dauer zu halten. Sie entführen Leute als Träger, und am Ziel angekommen, schicken sie sie wieder nach Hause.
Wie beeinflusst das Ihre Arbeit als Betreuer geflohener Kindersoldaten?
Wir haben jetzt sehr wenige Rückkehrer in unseren Auffanglagern. Wenn die Leute aber im Busch bleiben, wird der Krieg nicht enden.
Ugandas Regierung sagt aber immer wieder, der Krieg gegen die LRA sei fast gewonnen.
Da bin ich anderer Meinung. Die Regierung sagt: Wir haben so und so viele Rebellen getötet, es sind nur noch ein paar versprengte Gruppen übrig. Nach meiner Erfahrung sind diese Gruppen aber sehr gefährlich und begehen Gräueltaten.
Wie soll man mit den verbleibenden Rebellen umgehen?
Es ist mehr Druck auf Nachbarländer wie Sudan und auf die ugandische Regierung nötig, damit sie einem Dialog zustimmen. Die Rebellen kämpfen nicht für eine gerechte Sache, aber es sind denkende Menschen. Wenn es Verhandlungen gibt, können sie die Waffen strecken, und der Internationale Strafgerichtshof kann sich um sie kümmern. Auch Sudans Regierung muss etwas tun, damit diese Leute sich nicht weiter im Sudan zurückziehen können.
INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON