Sport im WDR: Das Krisenkind

Mit "Sport inside" (22.45 Uhr) will der WDR auf Hintergrund statt Event setzen - und macht dann doch ein paar Konzessiönchen an die Quote.

Kinderdrill in China: Die Kleinen müssen nicht nur (Foto) bei der Olympia-Vorfeier ran, sondern auch in Sporttrainingscamps schuften. Eines der Themen von "Sport Inside" Bild: dpa

Als WDR-Sportchef Steffen Simon am vergangenen Mittwoch in der Reporterkabine des Wembley-Stadions saß, dachte er kurz an seine neue Sendung. Die englischen Nationalelf verlor gerade gegen eine deutsche B-Mannschaft - und muss zu allem Überfluss bei der Qualifikation für die Europameisterschaften 2008 bei gegen Israel antreten: "Kaum jemand nimmt davon Notiz, dass Israel inzwischen eine sehr gute Mannschaft hat", so Simon. - Für den WDR-Mann also ein perfektes Thema für "Sport inside".

Ab heute läuft das neue Magazin immer montags um 22.45 Uhr. Nicht die sonst im Sport übliche Eventberichterstattung, sondern Hintergründe will "Sport inside" liefern. Schließlich habe doch die Diskussion um die Tour des France "gezeigt, wie hoch der Bedarf an gut recherchierten Informationen ist", sagt WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn.

Nun ist "Sport inside" ein Krisenkind gleich im doppelten Sinn: zum einen, weil der WDR so auf die aktuelle Image-Krise des Leistungssports und das Zuschauerbedürfnis reagiert, mehr als nur Jubelbilder gezeigt zu bekommen. "Wir haben uns lange vom Sport einfach nur faszinieren lassen", so Schönenborn. "Aber irgendwann ist es genug mit schönen Bildern."

Zum anderen aber auch, weil das neue Format selbst Resultat einer WDR-internen Krise ist. Denn der gut 30 Jahre alte WDR-"Sport im Westen" verlor mehr und mehr Zuschauer. Jetzt fliegt die Traditionssendung aus dem Programm. Für "Sport inside" und den sonntäglichen Bundesliga-Nachklapp "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs".

"Themen setzen" will Schönenborn mit der neuen Sendung, Zuschauerzahlen seien erst mal Nebensache: "Es geht nicht um Quote." Der späte Montagabend, so Sportchef Simon, ist "Sendeplatz mit Artenschutz".

Journalistisch setzt der WDR bei "Sport inside" auf Vernetzung. Sportredakteure sollen mit Rechercheuren anderer Formate zusammenarbeiten, etwa mit der ein Stockwerk höher im WDR-Haus angesiedelten Redaktion des Polit-Magazins "Monitor". Und schon für die erste Ausgabe holte man sich Hilfe im Politikressort: ARD-Asien-Korrespondent Christoph Lütgert berichtet über chinesische Trainingsschulen, in denen schon Vierjährige brutal auf Medaillenkurs getrimmt werden. Ein anderer Beitrag - eine Koproduktion von Printjournalist Olaf Sundermeyer und "Kontraste"-Mann Jo Goll - beleuchtet, wie die NPD den Fußball in den neuen Bundesländern für ihre ganze eigenen Zwecke nutzt.

Aber natürlich will man beim WDR das Hintergrundzeichnen nicht mit Schwarzmalen verwechseln: "Es geht nicht darum, eine Insel für Sport-Nörgeljournalismus zu schaffen." Leichte Porträts gehörten deshalb auch zum Konzept. Deshalb haben die Hintergrund-Erheller heute eine ziemlich vordergründiges Porträt über Adolf Katzenmeier - seines Zeichens Masseur der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und mit 72 Jahren ältester Darsteller des "Sommermärchens" der WM 2006 - im Programm. Eigens für den WDR-Dreh verdingte sich sogar Franz Beckenbauer als Homestory-Reporter in Katzenmeiers Praxis - "Wie viele Kabinen du hast - Wahnsinn!". Ein kalkuliert seichtes Stück Journalismus, zu viel "hard stuff" hätte die Zuschauer am Anfang wohl erschlagen.

Über 90 Themen sind laut Simon schon für "Sport inside" gesammelt: In einer der nächsten Sendungen wird Uefa-Chef Michel Platini porträtiert, auch Doping im Fußball könnte ein Thema werden - und vermutlich sogar ein Quotenbringer. Überhaupt: Ganz ohne Zuschauerzuspruch dürfte auch "Sport inside" nicht lange bestehen. War doch die Quote der Grund, warum ähnliche Formate wie "Sport unter der Lupe" und "Sportspiegel" in der Vergangenheit abgesetzt wurden. Und "Sport im Westen" schließlich auch.

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