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Archiv-Artikel

Stoiber in der CSU-Fraktion „zur Sau gemacht“

Der Berlin-Flüchtling gelobt Besserung in Bayern, muss sich aber weiter Kritik anhören – und erste Rücktrittsforderungen

MÜNCHEN taz ■ München, Rom und gestern wieder München. Stunden über Stunden bringt Edmund Stoiber derzeit mit Diskutieren zu, doch die bayerische CSU-Landtagsfraktion läuft nicht mehr im Einklang mit dem bayerischen Ministerpräsidenten. Ganz im Gegenteil.

„So was wie heute habe ich noch nie erlebt“, berichtete Alfred Sauter, ehemals bayerischer Justizminister, während einer mehrstündigen Aussprache. „Da nehmen einfache Abgeordnete kein Blatt vor den Mund, denen man das gar nicht zugetraut hätte.“ Der bekannte Stoiber-Kritiker verpetzte sogleich einen oberbayerischen Kollegen: „Der Kreidl hat ihn (Stoiber) grade zur Sau gemacht, das glauben Sie gar nicht.“ Und auch der Augsburger Abgeordnete Max Strehle erklärte am Rande der Sitzung, dass der Unmut in der Landtagsfraktion über Stoibers unstete Berlin-Ausflüge und seinen herrischen Führungsstil nicht nachlasse: „Seine (Stoibers) Rede war kein Befreiungsschlag! Das war nicht überzeugend!“ Allerdings werde bei dieser Sitzung keine Entscheidung fallen, man müsse abwarten, ob Stoiber bereit sei, sich zu ändern. Als möglichen Termin für eine – wie auch immer geartete – Entscheidung nannte Strehle den kommenden Montag, an dem das Präsidium, aber auch die Partei zum kleinen Parteitag zusammenkommen. Zwar habe der Ministerpräsident eifrig mitgeschrieben, aber zumindest bis kurz vor Schluss der überlangen Sitzung „noch kein Wort des Bedauerns von sich gegeben“, so Strehle. Und mitzuschreiben hatte der Ministerpräsident in der Tat eine ganze Menge: 30 Wortmeldungen verzeichnete der Sitzungsdienst. Mit dabei auch Stoiber selbst, doch für seine Rede gab es nur zynisches Mitleid: „Im Rahmen seiner Möglichkeiten war das ganz ordentlich“, urteilte der Abgeordnete Rudolf Peterke grinsend.

Und selbst eine offene Rücktrittsforderung gab es inzwischen. Bei der Fülle der Arbeiten in Berlin und München könne man einfach nicht beide Ämter auf eine Person vereinigen, sagte der Eichstätter Abgeordnete Thomas Obermeier dem Donaukurier. Ganz andere Verhältnisse als noch vor Wochen, wo Stoiber der Fraktion eine Gnade erwies, wenn er mit ihr sprach. Erst gestern hatte deren Vorsitzender Joachim Herrmann heftige Kritik geübt: „In der Vergangenheit war gerade die Verlässlichkeit und Gradlinigkeit der CSU ein besonders hohes Gut.“ Daran müsse sich die Partei wieder orientieren, so Herrmann, der inzwischen auch als möglicher Nachfolger gehandelt wird.

Dabei war es eigentlich so ein sonniger Tag für Stoiber. Kaum war er seinem 7er BMW entstiegen, brandete Beifall im Innenhof des Maximilianeums auf. Eine Besuchergruppe aus dem Hinterland freute sich einen Promi zu sehen und brachte ihrerseits den Ministerpräsidenten zum Strahlen. Schienen doch für einen Moment die guten alten Zeiten zurückzukehren. Doch kaum waren die „CSU-Sympathisanten“ wieder unter sich, wurde Tacheles geredet: „Wir hätten ihm sicher unter dem Tisch eine nei’haun können, aber hier sind wir höflich.“ MAX HÄGLER