Afghanistan: Die Nöte der Helfer

Kurz vor der Bundestagsentscheidung über den Afghanistan-Einsatz fordern die Hilfsorganisationen eine Trennung zwischen militärischem und zivilem Einsatz.

"Das Land war noch nicht reif": Afghanische Ex-Kämpfer bei Computer-Kurs Bild: dpa

Die Probleme beim Aufbau Afghanistans wurde unterschätzt - und zwar nicht nur aus militärischer, sondern auch aus ziviler Sicht. "Wir haben die Entwicklung Afghanistans nach 2001 zu optimistisch beurteilt", gab der Geschäftsführer der Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, am Montag unumwunden zu. Auf einer Pressekonferenz des Dachverbands deutscher Entwicklungsorganisationen Venro in Berlin sagte Preuß: Nach dem Sturz der Taliban seien viele Hilfsorganisationen "mit großem Engagement" losgezogen. "Heute müssen wir zugeben: Das Land war noch nicht reif. Wir waren uns nicht bewusst, dass wir mit einer sehr rückständigen Bevölkerung zusammenarbeiten."

So hätten die Hilfsorganisationen damals gedacht, sie könnten gleich "mit komplexen Programmen zu Demokratisierung, Frauenrechten und so weiter" beginnen, so Preuß. Die Welthungerhilfe sei daher viel zu schnell von reiner Nothilfe auf solche Projekte umgestiegen. "Dabei waren unsere Ziele zu ehrgeizig gesteckt."

Auch mussten die Helfer erst lernen, dass in Afghanistan vielerorts entweder keine öffentlichen Strukturen vorhanden sind oder dass die Zentralverwaltung nur äußerst schwerfällig arbeitet. Das führte dazu, dass nicht alle Hilfsgelder aus Deutschland abgerufen werden konnten. Venro fordert daher, dass die Zusammenarbeit mit lokalen Machthabern erleichtert werden soll. Auch auf die Gefahr hin, despotische Provinzfürsten statt die Zentralregierung in Kabul zu päppeln.

Massive Kritik üben die Nichtregierungsorganisationen an der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Zwar seien die deutschen Soldaten unbestritten sehr wichtig - aber für den Schutz der afghanischen Bevölkerung, nicht für die zivilen Helfer. "Die militärischen Aufbauteams treten sehr martialisch auf", moniert Thorsten Hinz, Afghanistan-Experte des katholischen Hilfswerks Caritas. "Für die Afghanen sind sie schwer von den anderen Soldaten zu unterscheiden."

Der Geschäftsführer von Medico International, Thomas Gebauer, berichtete, anfangs hätten die Kinder den Bundeswehrsoldaten zugewunken. "Heute werfen sie mit Steinen auf sie." Anfangs hätten sich die zivilen Helfer in Bundeswehrjeeps sicher gefühlt. "Heute vermeiden sie es auf Teufel komm raus, sich in solchen Fahrzeugen sehen zu lassen."

Die deutschen Organisationen fordern daher eine klare Trennung zwischen militärischem und zivilem Einsatz. "Die Bundeswehr soll sich auf ihre eigentlichen Aufgaben wie Entwaffnung der Taliban und Bekämpfung des Drogenanbaus konzentrieren", sagte Hinz. Den Caritas-Geschäftsführer stört auch, dass die militärischen Ziele immer stärker die Entwicklungspolitik überlagern. Ein großer Teil der öffentlichen Hilfsgelder fließt in den Norden Afghanistans, weil dort die Bundeswehr stationiert ist. "Aber aus unserer Sicht ist das gar nicht die Region, die die Hilfe am meisten nötig hat." Das Entwicklungsministerium lasse sich vom Verteidigungsministerium instrumentalisieren, kritisiert Hinz. Wer den Hut aufhat, zeigt laut Venro auch ein Blick auf folgende Zahlen: 530 Millionen Euro koste die Deutschen die Beteiligung an der Isaf-Schutztruppe allein 2007. Dem stehen 100 Millionen Euro zivile Mittel gegenüber.

Venro spricht sich dennoch ausdrücklich für die weitere Unterstützung von Isaf aus. "Die Menschen in Afghanistan pochen auf die Schutztruppe. Sie wollen das wenige, was sie sich aufbauen, geschützt wissen", sagt Lieser. Ihn ärgert, dass in Deutschland so viel über den militärischen und so wenig über den zivilen Einsatz gesprochen werde. "Wir Hilfsorganisationen haben uns schon in den 80er-Jahren für Afghanistan interessiert. Und zwar nicht wegen der Verteidigung unserer Sicherheit am Hindukusch, sondern weil es um eines der ärmsten Länder der Welt geht."

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