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Sehr geehrter Herr Semmler,
Wahrscheinlich geht der groesste Teil der zivilen Opfer von Flucht und Vertreibung auf das Konto von Kriegshandlungen, und damit nicht auf das einer gezielten Politik. Trotzdem ist es zynisch, von "Happy End" zu sprechen, ohne auf die hunderttausenden Opfer einzugehen. Und es ist einseitig, die Vertreibungen bei und nach Kriegsende ausschliesslich auf das Konto Hitlerdeutschlands zu schieben, ohne die stalinistische Bevoelkerungspolitik auch nur zu erwaehnen, welche doch auch zur Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Verschleppung von Millionen nichtdeutscher Zivilisten fuehrte.
Deshalb stimme ich zwar zu, dass man ressentimentgeladenen Funktionaere von dem geplanten Erinnerungsort fernhalten sollte, halte aber zur Zeit die Gefahr, dass "friedensfreundliche" Eiferer unwillkommene Tatsachen herunterspielen oder unter den Teppich kehren wollen, fuer groesser.
So wie die Diskussion um die Vertreibung gefuehrt wird, kann man genausogut fordern, dass das Gedenken an die deutsche Teilung und an den ersten kommunistischen Staat auf deutschem Boden den Standpunkt der DDR-Fuehrung angemessen beruecksichtigt. Schliesslich waren auch die DDR einschliesslich Stasi, und die innerdeutsche Grenze mit Berliner Mauer letztlich eine Konsequenz aus dem moerderischen Hitlerkrieg, und eine Wiedergutmachung fuer das von den Nazis an den deutschen Kommunisten begangene Unrecht, nicht wahr?
Mit freundlichen Gruessen,
A.Th.
Der Krimi um die Auslieferung von Maja T. zeigt, welche Prioritäten der deutsche Staat bei der Strafverfolgung setzt. Gegen Linke zeigt er Härte.
Kommentar Vertriebenen-Zentrum: Vernunftvolles Erinnern
Die Abwahl der Regierung in Warschau, die jede Form der Erinnerung an Flucht und Vertreibung in Deutschland verteufelte, birgt Chancen für eine Zusammenarbeit beim Dokumentationsprojekt.
Das im Koalitionsvertrag festgelegte "sichtbare Zeichen", mit Hilfe dessen an Flucht und Vertreibung der Deutschen nach 1945 erinnert werden soll, nimmt jetzt erste Konturen an. Die Koalitionspartner haben sich auf ein Dokumentationszentrum in Berlin geeinigt, das ausschließlich vom Bund getragen und finanziert wird. Obwohl zahlreiche Klippen lauern, könnte dieses Projekt den erbitterten Streit um das vom Bund der Vertriebenen (BdV) initiierte "Zentrum gegen Vertreibungen" beenden.
Gegen letzteres Zentrum und die von ihm veranstaltete Ausstellung "Erzwungene Wege" bestehen nach wie vor grundlegende Bedenken, die sich gegen die politische Dominanz des BdV ebenso richten wie gegen die Tendenz, im Zeichen der "Europäisierung" des Vertriebenenschicksals im 20. Jahrhundert eine neue Ideologie zu konstruieren. Mit ihr würden die Spezifika des "deutschen Weges" und der mit ihr verbundenen deutschen Verantwortung eingeebnet. Umgekehrt gelang es der vom "Haus der deutschen Geschichte" veranstalteten Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration" durch die Konzentration auf das Deutschland der Nachkriegszeit, ein detailreiches, realistisches, oft bewegendes, aber nie emotional überwältigendes Bild zu zeichnen, das noch dazu in ein "Happy End" mündete, nämlich in die schließlich geglückte Integration der Vertriebenen in das Nachkriegsdeutschland. Auch fehlte nicht der Nachweis der friedens- und entspannungsfeindlichen Politik des BdV. Auf dieser Ausstellung soll das beschlossene Dokumentationszentrum aufbauen.
Die Abwahl der nationalistischen Rechts-Regierung in Warschau, die jede Form der Erinnerung an Flucht und Vertreibung in Deutschland als Geschichtsrevisionismus verteufelte, birgt Chancen für eine polnisch-deutsche Zusammenarbeit bei dem Dokumentationsprojekt. Die erfolgreiche Arbeit der gemischten Schulbuchkommissionen zeigt, "wie es geht". Voraussetzung ist allerdings, dass die Opfer-Mythologen und Geschichtspolitiker beiderseits der Oder an dem künftigen Beratertisch für das Zentrum Platz nehmen müssen. Aber keinen Einfluss auf die endgültige Gestalt nehmen.
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Kommentar von
Christian Semler