Der Schiedsmann: "Es gibt keinen Sieger und keinen Verlierer"

Die Streitschlichtung ist eine zeitgemäße Einrichtung, sagt Erhard Väth vom Bund Deutscher Schiedspersonen. Aber sie werde seltener genutzt, weil die Deutschen immer mehr "ein Volk von Streithanseln und Rechthabern" würden

taz: Herr Väth, ist das Schiedsamt heute überhaupt noch zeitgemäß?

Erhard Väth: Was Schiedspersonen machen, ist Vermittlung, das nennt man modern Mediation. Mediation ist en vogue, also sind Schiedsleute mehr als zeitgemäß, auch wenn es ihre Institution seit 180 Jahren gibt.

Wer braucht heute - zu Zeiten von Rechtsschutzversicherungen - noch ehrenamtliche Streitschlichter?

Alle. Der wichtigste Vorteil ist ja nicht die Zeit- und Kostenersparnis, sondern die Einigung mit der gegnerischen Partei. Es gibt keinen Sieger und keinen Verlierer. Im Gegensatz zum Rechtsstreit kommt man hinterher meistens besser miteinander aus. Deshalb ist ein Konsens einem Urteil immer vorzuziehen.

Warum wird das Verfahren dann so wenig genutzt?

Wir drohen mehr und mehr ein Volk von Streithanseln und Rechthabern zu werden. Man will sich gar nicht mehr einigen, sondern vom Gericht bestätigt bekommen, Recht zu haben.

Wäre es sinnvoll, die Schlichtung zur Pflicht vor dem Gang zum Gericht zu machen?

Ja. In sechs Bundesländern ist das ja auch schon so. In Hessen haben Schiedsleute seither doppelt so viel zu tun. In NRW hat sich die Zahl der Fälle sogar fast vervierfacht. Die Erfolgsquote, rund 55 Prozent aller Schiedsverfahren führen zu einer Einigung, hat sich dabei gehalten.

Ist die Anwendung des Gesetzes in Berlin denn realistisch?

Das ist fraglich. Justizsenatorin Gisela von der Aue und auch schon ihre Vorgängerin Karin Schubert haben das gegenüber der Anwaltschaft nicht durchsetzen können. In Berlin gibt es ungeheuer viele Anwälte. Euphemistisch könnte man sagen, dass die aus finanziellen Gründen nicht immer daran interessiert sind, dass ein Streit zu schnell beendet wird.

Den Schlichtern steht die Anwaltschaft gegenüber?

Das ist kein Vorwurf und gilt auch nicht nur für Berliner Anwälte. Das ist eine ganz sachliche Feststellung.

Hat das Schiedsamt in Berlin dann überhaupt eine Zukunft?

Oh ja. Gerade in Bezirken wie Kreuzberg könnte es eine erhebliche Entlastung sein.

Warum gerade dort?

In Mehrfamilienhäusern wird nicht weniger gestritten als in Reihenhaussiedlungen. Natürlich geht es um andere Dinge. Einer kocht mit Gewürzen, die der Nachbar nicht riechen will. Untersuchungen haben übrigens gezeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund das Schiedsverfahren gerne nutzen, weil es nicht diesen starken staatlichen und offiziellen Bezug hat.

Gibt es keine Kommunikationsprobleme zwischen den meist älteren Schlichtern und der jungen und multikulturellen Klientel?

Alter ist nicht unbedingt von Nachteil. Auch oder gerade als betagte Person kann man sich in jüngere Generationen einfühlen.Wenn man zwischen einem Griechen und einem Türken vermitteln soll und womöglich zwei Dolmetscher braucht, erschwert das natürlich die Schlichtung, aber das gilt ja nicht spezifisch für das Schiedsverfahren.

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