: Berlin macht NRW-Landespolitik
Was ändert sich in Nordrhein-Westfalen, falls die große Koalition zustande kommt: Landespolitik muss sich auf Änderungen im Beamtenrecht, bei Haushaltspolitik und Kohlesubventionen einstellen
VON MARTIN TEIGELER
Am Ende hängt das Schicksal der großen Koalition an den Großkopferten. Heute wollen die Spitzenvertreter von CDU/CSU und SPD die letzten und dicksten Verhandlungsbrocken auf dem Weg zur großen Koalition beiseite räumen. Mehrwertsteuererhöhung? Kündigungsschutz? Atompolitik? Die Runde der Parteichefs soll heute endgültig „Basta“ sagen. Bereits in den Wochen zuvor waren allerdings Vorentscheidungen in einzelnen Arbeitsgruppen gefallen, die wichtige Änderungen für Nordrhein-Westfalen mit sich bringen. Hier also – ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit – ein Überblick: Was ändert sich in der nordrhein-westfälischen Landespolitik, falls die große Koalition in Berlin zustande kommt?
Direkte Auswirkungen auf die NRW-Politik hat die verabredete Föderalismusreform. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern soll vereinfacht werden. Konkretes Beispiel: Die Bundesländer sollen selbst über die Bezahlung ihrer Beamten entscheiden. Künftig könnten die Länder dann bestimmen, wie sie die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ bei Themen wie Wochenarbeitszeit und Laufbahnrecht auslegen. Fraglich ist allerdings, ob NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den politischen Mut besitzt, seine neuen Freiheiten auch zu nutzen. Die gut 250.000 Landesbeamten (davon rund 100.000 Lehrer und 40.000 Polizisten) gehören zur Wählerklientel der Union.
Peter Heesen, Vorsitzender des Beamtenbundes, hatte die neue CDU-geführte Landesregierung vor einigen Wochen für ihre „staatspolitische Verantwortung“ gelobt. In seinen ersten 100 Tagen als Ministerpräsident habe Rüttgers Gespür für die tatsächlichen Herausforderungen der anstehenden Modernisierung des öffentlichen Dienstes bewiesen und Pläne der Vorgänger-Regierung unter Peer Steinbrück (SPD) zur Abschaffung des Berufsbeamtentums zu den Akten gelegt, sagte Heesen. Auch die Gewerkschaft Transnet kündigte bereits Widerstand gegen Kürzungen bei den Beamten an. Die Pläne zur Föderalismusreform seien ein „Rückschritt in die 60er Jahre“, es drohe ein „Besoldungswettlauf der Länder“. Die bestehende bundeseinheitliche Besoldung war in den 1970ern auf Wunsch der Länder eingeführt worden.
Ebenfalls Teil der Föderalismusreform: Die Zuständigkeit für die Bildung geht fast vollständig auf die Länder über; der Bund regelt den Zugang zu den Hochschulen und die Abschlüsse. In der Umweltpolitik erhalten die Länder das Recht, von den Bundesregelungen abweichen zu dürfen.
Die große Koalition will sparen. Klar ist wohl, dass auch die Bundesländer ihren Beitrag zur Haushaltssanierung beisteuern sollen. Wenn sich CDU/CSU und SPD im Bund auf ein Sparprogramm in zweistelliger Milliardenhöhe einigen, muss sich NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) auf geringe Mittelzuweisungen und Hilfen aus dem Bundesetat einstellen. „Was in Berlin an Konsolidierungsmaßnahmen beschlossen wird, schlägt auch auf die Kassenlage der Länder und Gemeinden durch“, so der Dresdner Finanzwissenschaftler und Haushaltsexperte Helmut Seitz. Darüberhinaus müsse Düsseldorf in den nächsten Jahren eigene Anstrengungen unternehmen, um den Verschuldungskurs des größten Bundeslands zu stoppen. Von einer möglichen Erhöhung der Mehrwertsteuer könnte NRW dagegen profitieren – falls die Anhebung nicht komplett zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet wird. Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gehen zu 15 Prozent an die Kommunen, den Rest teilen sich Bund und Länder.
Begrüßt hat die schwarz-gelbe Landesregierung die großkoalitionären Vereinbarungen zu den Kohlesubventionen. Ministerpräsident Rüttgers lobte das Verhandlungsergebnis als „gute Grundlage für die weiteren Gespräche“. Die Unterhändler von SPD und CDU hatten sich dafür ausgesprochen, „weitere Einsparungen gegenüber den bisherigen Verabredungen“ bei den Kohlesubventionen zu prüfen, „ohne den Weg der sozialverträglichen Anpassung zu verlassen“. Bis 2008 soll sich bei den staatlichen Beihilfen für die Steinkohle erstmal gar nichts ändern.