: Das Spielkasino von Kärnten
BANKENPLEITE Die Hypo Group Alpe Adria geht für 3 Euro an Österreich, vor zwei Jahren hat die BayernLB noch 1,7 Milliarden bezahlt. Bayern ist der große Verlierer des Notverkaufs
AUS WIEN RALF LEONHARD
Der Freistaat Bayern hat sich in der Nacht auf Montag einen Klotz vom Bein geschafft. Der Zweidrittelanteil, den die landeseigene BayernLB an der bankrotten österreichischen Hypo Group Alpe Adria (HGAA) hielt, wird für einen Euro an die Republik Österreich abgetreten. Die bekommt für zwei weitere Euro auch die Anteile des Landes Kärnten und der Grazer Wechselseitigen Versicherung. Damit ist Österreichs sechstgrößte Bank zu hundert Prozent verstaatlicht.
Bezahlen müssen das vor allem die Steuerzahler in Bayern und Österreich. Die BayernLB verpflichtete sich, 825 Millionen Euro draufzulegen, um den unmittelbaren Liquiditätsbedarf zu decken. Kärnten muss 200 Millionen Euro zuschießen, von der Grazer Wechselseitigen waren nicht mehr als 30 Millionen zu holen. Den Rest von maximal 450 Millionen schultert Österreich. Es wird unterstützt von den fünf größten Banken des Landes, die 500 Millionen an Sicherheiten einbringen.
Die Verstaatlichung, so die fast einhellige Analyse der Ökonomen, kam immer noch billiger als der Kollaps der Bank, die in mehreren Balkanstaaten zu den führenden Instituten zählt. Das bewog wohl auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet, sich in der Nacht telefonisch einzuschalten und auf die Dringlichkeit der Bankenrettung für den EU-Raum hinzuweisen. Als das Paket nach siebzehnstündigen Verhandlungen im Finanzministerium in Wien kurz vor Schalteröffnung verkündet wurde, machte Finanzstaatssekretär Andreas Schieder, SPÖ, seiner persönlichen Befindlichkeit Luft: „Ich verstehe jeden, den das ärgert. Aber es war auf Grund der verantwortungslosen Politik der Kärntner notwendig.“
Jörg Haider hatte die HGAA durch Investitionen in Südosteuropa binnen weniger Jahre enorm aufgeblasen und als Cash-Cow für seine Prestigeprojekte missbraucht: von der Seebühne am Wörthersee über das EM-Stadion und die Finanzierung des Fußballclubs Austria Kärnten. Seine Sozialpolitik, die in landesfürstlicher Manier durch Verteilung von Bargeld ihren Ausdruck fand, wäre ohne die HGAA auch nicht möglich gewesen. Dass die Rechnung zumindest kurzfristig aufgeht, zeigte der Triumph von Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) bei den Landtagswahlen im vergangenen März.
Landeshauptmann Gerhard Dörfler setzte die Tradition fort. Noch am Samstag drückte er den Kärntnern 100-Euro-Scheine als Teuerungsausgleich bar in die Hand. Kärnten haftete mit 18 Milliarden Euro für die Kredite auf dem Balkan. Diese Summe übersteigt das Landesbudget um das Neunfache. Diese Garantie bleibt jetzt im Wiener Finanzministerium hängen. Kein Wunder, dass der Kärntner BZÖ-Chef Uwe Scheuch von einem „guten Tag für Kärnten“ sprach.
Die faulen Kredite zwischen Kroatien und Mazedonien sind derzeit Gegenstand von Untersuchungen. In Kroatien zog der inzwischen wegen Kriegsverbrechen verfolgte Exgeneral Vladimir Zagorec fragwürdige Immobiliengeschäfte entlang der Adria auf. Jachten und Villen der Balkanmafia sollen über die HGAA finanziert worden sein. Politikern, die Kredite aufnahmen, wurden saftige Provisionen gewährt, mit denen sie Wahlkämpfe bestreiten konnten.
Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt interessiert sich dafür, wieso die HGAA 2007 zu einem deutlich zu hohen Preis an Bayern verkauft wurde. Der Verdacht kam auf, dass Provisionen geflossen sein könnten. Besonders die Rolle des ehemaligen HGAA-Chefs Tilo Berlin wird untersucht. Er hat dank auffällig günstig erworbener Aktien durch den überteuerten Verkauf bis zu 160 Millionen Euro für sich und seine Investorengruppe abgestaubt.
Für Kärnten ist etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod Jörg Haiders die Party vorbei. Schon jetzt ist die Pro-Kopf-Verschuldung höher als in jedem anderen Bundesland, und in den nächsten vier Jahren wird sie sich verdoppeln. Um die sofort fälligen 200 Millionen Euro aufzubringen, muss die Regierung in Klagenfurt die Mittel für den Koralmbahntunnel, Haiders Lieblingsprojekt, einbringen und zukünftige Haftungsprovisionen zu Geld machen. Geschenke an die Kärntner wie Führerscheinprämien oder Subventionen für Kärntner Anzüge werden sich nicht mehr bezahlen lassen.