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Archiv-Artikel

Kein Kommentar Überall illegal

Keine Gebührengelder fürs Privatfernsehen: Die in Berlin und Brandenburg gezahlten Beihilfen für den Ausbau des digitalen Antennen-Fernsehens sind illegal. Das hat die EU-Kommission entschieden. Nun müssen RTL und ProSiebenSat.1 über 4 Millionen Euro zurückzahlen – und der Subventionswahnsinn wird endlich eingeschränkt.

Da kommen die großen privaten TV-Veranstalter daher und drücken den Landesmedienanstalten die Pistole auf die Brust: Wir machen nur mit, wenn ihr uns Zuschüsse bezahlt. Und die Landesmedienanstalten lassen sich darauf ein: Digitales terrestrisches Fernsehen kann nur zum Erfolg führen, wenn über die Sendernetze nicht nur die öffentlich-rechtlichen Programme verbreitet werden, sondern auch GZSZ, Stefan Raab und Richter Holt.

Das war die Denke, mit der die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) 2003 Zuschüsse in Höhe von 4 Millionen Euro rechtfertigte, um die privaten Veranstalter beim weltweit ersten Radikalumschwung vom analogen zum digitalen Fernsehen („Das Überall-Fernsehen“) ins Boot zu holen. Wohlgemerkt: mit Geldern aus Rundfunkgebührenmitteln, denn der Etat der Landesmedienanstalt finanziert sich aus einem Anteil an den GEZ-Geldern.

Beim Analog-Digital-Umstieg an Rhein und Ruhr zockten RTL und ProSiebenSat.1 noch dreister: An die 10 Millionen Euro an Zuschüssen für die Teilnahme wollten sie ursprünglich haben. Letztlich ließ sich die Düsseldorfer Landesmedienanstalt rund 7 Millionen Euro abhandeln. Und auch in Bayern sind 2,4 Millionen Euro für die Teilnahme der Privaten haushaltsrechtlich bereitgestellt worden.

Der Beschluss der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ist insofern zu begrüßen, als dem Subventionswahnsinn eindeutig Grenzen gezeigt worden sind. RTL und ProSiebenSat.1 müssen die Gelder wieder zurückzahlen. Es ist schon ganz schön frech, was sich die großen Senderfamilien erlaubt haben. In NRW etwa bezifferte sich der Mehraufwand für die gesamte RTL-Gruppe (inkl. Vox, RTL II und Super-RTL) für die terrestrische Ausstrahlung auf 0,78 Millionen Euro pro Jahr, weniger als ein Hauptgewinn bei „Wer wird Millionär“ und allenfalls den Gegenwert von zwölf Werbespots in „Ritas Welt“. Und ProSiebenSat.1 leisten sich seit neuestem jährlich etwa 12 Mio. Euro an Satellitenmiete für die Ausstrahlung von Fernsehen für Blinde: hoch auflösendes Fernsehen (HDTV), und keiner schaut hin, denn es gibt keine Empfangsgeräte. Geld ist also da.

Vielleicht wird das Brüsseler Machtwort MABB-Chef Hans Hege mehr freuen als verdrießen: Sein kühnes Projekt, weltweit erstmalig das analoge Fernsehen abzuschalten, wurde ein voller Erfolg. Die großen privaten Senderfamilien dürften angesichts der Zahl der verkauften Receiver in Berlin und Brandenburg kaum noch aus der Verbreitung aussteigen wollen.

Doch über eines sollten die Chefs der Landesmedienanstalten einmal nachdenken: Es gäbe sicherlich auch eine ganze Reihe anderer Mittel, um die privaten Sender ohne Subventionen zur Teilnahme an gesellschaftlich erwünschten Projekten zu verpflichten. Wie wäre es denn einmal, entsprechende Bedingungen in die gewährten Sendelizenzen hineinzuschreiben?

JÜRGEN BISCHOFF