Minimal-Kunst in Düsseldorf: Schlicht und einfach Konsortium

Willkommen im White-Cube-Flair mit Blick auf Kleinbürgerbalkone: "Konsortium" sind ein dicker Knoten im Netzwerk der internationalen Minimal-Freaks.

Minimal-Kunst: Ein Faible für Schlichtes, Spitzes, Schwarzes, Weißes. Bild: dpa

Um 1998: Die ganze Düsseldorfer Kunstakademie ist von einem römischen Heer figurativer Maler besetzt. Dazwischen Lars Breuer, Sebastian Freytag, Jan Kämmerling und Guido Münch - vier aufrechte Gallier mit einem Faible für Schlichtes, Spitzes, Schwarzes, Weißes. Die Vier sollen sich bald "Konsortium" nennen. Dass das übersetzt "Schicksalsgemeinschaft" bedeutet, wissen sie gar nicht.

Ortstermin im gallischen Dorf auf dem Düsseldorfer Hinterhof: Milchglastür, Briefkasten aus Blech, Spinnenweben am Wellplastikvordach. Westdeutsche 80er-Jahre-Tristesse. Sebastian Freytag von "Konsortium" öffnet die Tür. Eine leer stehende 40-Quadratmeter-Wohnung im ersten Stock ist zu einem der angesagtesten Off-Spaces der Stadt geworden. White-Cube-Flair mit Blick auf Kleinbürgerbalkone.

Das Konzept des Ausstellungsraums ist so klar wie die Kanten eines Donald-Judd-Würfels: Gezeigt werden Positionen, die Techniken der Minimal Art, Farbfeldmalerei, Op-Art oder Neo Geo aufgreifen. Die anonymsten und unemotionalsten Formen der Abstraktion also. Auf Fotos inszenieren sich die vier Düsseldorfer als Arbeiterkollektiv im Stile von Kraftwerk. Der Mythos des entindividualisierten Künstlerroboters.

"Konsortium" sind das klassische Beispiel eines chronisch unterfinanzierten Off-Spaces. Trotzdem schaffen es Freytag und Konsorten, ein anspruchsvolles und verblüffend internationales Programm zu realisieren. Das Projekt ist seit seiner Gründung 2004 zu einem dicken Knoten im internationalen Netzwerk der Minimal-Fanatiker zwischen Antwerpen und Kopenhagen, Melbourne und New York geworden. Dank sinkender Flugpreise können regelmäßig ausländische Künstler gezeigt werden. Im September war Neil Clement aus Glasgow zu Gast. "Der hatte uns Bilder gemailt. Wir haben festgestellt, dass er zu uns passt und haben ihn eingeladen", sagt Freytag. Clement schleppte monochrome gezackte Leinwandformate an, die an die Heavy-Metal- Gitarren erinnerten.

Weil der Hinterhof-White-Cube durch Zuschüsse der vier "Konsortiums"-Mitglieder finanziert wird, die übrigens in Düsseldorf leidlich als Künstlerassistenten oder Ausstellungsaufbauer über die Runden kommen, ist das Budget begrenzt. Anreise und Transport müssen die Künstler selbst zahlen. "Von uns gibt es das Bier zur Eröffnung und kopierte Einladungsflyer", sagt Freytag. Das gilt für Nachwuchskünstler ebenso wie für etablierte Größen à la Anselm Reyle, Gerwald Rockenschaub und Gerold Miller. Die drei haben auf eigenen Wunsch im vergangenen Dezember bei "Konsortium" ausgestellt. Zur Vernissage platzen die 40 Quadratmeter wie immer aus allen Nähten.

Die Renaissance der abstrakten Kunst gipfelt derzeit in der "Blinky Palermo"-Ausstellung in der örtlichen Kunsthalle. Dadurch angespornt, hat das "Konsortium" seinen Aktionsradius ausgedehnt und temporär zwei weitere Ausstellungsorte okkupiert. Einer davon ist die Tiefgarage unter der Kunsthalle. Ein Raum, wie geschaffen für den harten Industrial-Chic der Künstlergruppe. Lars Breuer zeigt hier Malerei, die mit dem Formenrepertoire des italienischen Futurismus und Assoziationen von Geschwindigkeit und Mobilität spielt. Sebastian Freytags Wandarbeit "Lost" in einer Sackgasse der Garage greift die Farben der benachbarten Parkbuchten auf und ist so auch eine Hommage an Blinky Palermo, der ebenfalls auf vorgefundene Architektur reagierte. Guido Münch schließlich hat die Tiefgarage mit Farbfeldmalerei aufgehübscht.

Düsseldorfer dürfen unschwer den Streifencode erkennen, mit dem die Stadt vor vier Jahren ihre Bewerbung für Olympia 2012 schmückte. Münch gewährt dem nunmehr gern verdrängten Logo noch einmal Asyl. Früher war die Minimal Art eine Kunst, die sich selbst genügte. Doch in ihrer zeitgemäßen Form kommt sie nicht daran vorbei, sich wieder ihrer Umwelt und gesellschaftlichen Fragestellungen anzunähern. Das zumindest zeigt die zweite "Konsortiums"-Sonderausstellung im "KIT", einem unterirdischen Kunstraum zwischen den Röhren des Rheinufertunnels. Hier hat Sebastian Freytag einige Wandmeter mit Papierkopien von schwarzen und weißen Marmorfliesen beklebt. Er spielt mit dem Gegensatz von billigem und wertvollem Material und erzeugt zudem einen reizvollen Kontrast zum nackten Beton der übrigen Wandfläche. Sehenswert sind zudem die Beiträge verschiedener Gastkünstler, die "Konsortium" zu dieser Ausstellung eingeladen haben.

Didier Rittener aus Lausanne etwa engt mit riesigen spitzen Panzersperren aus Polyester den Raum ein, während Philippe Decrauzat einen klassischen Op-Art-Würfel geschaffen hat. Christine Rusche aus Rotterdam wiederum löst mit ihren Schwarz-Weiß-Strukturen an den Wänden die Konturen der Architektur auf, ähnlich wie dies die Berliner Künstlerin Katharina Grosse mit Sprühfarbe tut. Wie heute kunstgeschichtliche Referenzen in den Minimalismus einfließen, zeigen zudem vier Leinwände von Markus Ebner aus Frankfurt. Ebner hat die vier existierenden Versionen eines Bildes von Günter Fruhtrunk nachgemalt. Der Münchner Maler hatte 1982 Selbstmord begangen. Die Kopien sind eine Art Epitaph. "Die Nachahmung ist ja auch ein kunstgeschichtlicher Topos", sagt Freytag. "Für Ebner geht es darum, keine eigenen Entscheidungen mehr zu treffen." Nun ja, Tocotronic haben unlängst von der Kapitulation gesungen. Das ist nur eine Strategie unter vielen, mit der die abstrakte Kunst lebendig bleibt - im gallischen Düsseldorf.

Bis 6. Januar im KIT, bis 13. Januar in der Tiefgarage der Kunsthalle, www.konsortium-d.com

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