Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Grünen haben kein Personal für die erste Reihe. Ist aber nicht so schlimm. Und: Wer 68 als Unterstufensprecher erlebt hat, will jetzt wirklich nichts mehr darüber lesen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Deutschland nimmt an weltweit zehn Kriegen teil, hat keine aktionsfähige Opposition und feiert das alles hübsch als "zwei Jahre erfolgreiche große Koalition".

Was wird besser in dieser?

Das Feiern hört auf.

Hat die grüne Partei noch das richtige Spitzenpersonal?

War es die grüne Uridee, endlich mal richtiges Spitzenpersonal zu haben? Nein, da ging es um Rotation, um Anti-Star-Kult, um die Trennung von Amt und Mandat. Vor allem unter, wegen und zugunsten Fischers hat die Partei dieses wesentliche Alleinstellungsmerkmal vernachlässigt. Belohnung siehe Oppositionsbank plus Grundwerteausverkauf. Die Grünen haben derzeit keine/n für die erste oder gar in der ersten Reihe. Vielleicht hat Schröder freiberuflich Zeit und Lust, noch ne Partei in Teile zu zerlegen? Ich finde Künast, Roth, Kuhn, Bütikofer, Trittin sind gerechtes Abbild des politisch Geleisteten und keine allzu gruselige Zukunftsvision. Aus Sicht der SPD wäre ich neidisch auf diese Truppe. Eher sollten die, die ein halbes politisches Leben unter Vatter Joschka gelitten haben, jetzt selber früher junge Leute heranführen.

Der Antrag für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle in Höhe von 420 Euro ist gescheitert. Zu Recht?

Dem Kapitalismus mit Steuergeld Menschen aus dem Weg zu ködern, die nicht perfekt in seine bizarren Neigungen passen, wäre mir eine Katastrophe. Bitte nicht den Neolibs wie Oswald Metzger auf dem Weg zur artgerechten Haltung in der FDP noch Trösterchen hinterherschmeißen. Eher den großen spirituellen Führer Münte heranziehen, ob seines klugen Mantras: "Die Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht umgekehrt!" Das bedingungslose Grundeinkommen ist das krasse Gegenteil eines "Rechts auf Arbeit", dem ich wesentlich näher stehe.

Sind die Grünen, wie viele meinen, auf dem Weg zurück zu einer linken Oppositionspartei?

Die Grünen hätten entlang des Generalbasses "Nachhaltigkeit" die politische Klammer, SPD und Linkspartei jedenfalls themenbezogen zusammen zu zwingen. Indem sie derzeit - und auch darin ihren Wurzeln von Gruhl bis Vollmer würdig - "Links-rechts-Hauptsache-anders" aufgestellt sind, taugten sie zum Moderator der vergeigten Lage "diesseits der Mitte", wie Brandt es nannte. Der Parteitag scheint eher der "ein bisschen was für jeden"-Linie folgend Ruhe gesucht zu haben, der war keine politische Festlegung wie der Anti-Kriegs-Parteitag in Göttingen. Bezeichnend übrigens, dass der Spiegel Göttingen "GAU-Parteitag", Oswald Metzger ein Opfer der politischen Korrektheit nennt und dann noch Jauch als Parteivorsitzenden. Vielleicht wollen sie die Transfersumme noch hochkitzeln, die Titanic für Aust zahlen soll.

Am Donnerstag wäre Petra Kelly, einst grüne Symbolfigur, 60 Jahre alt geworden. Können die Grünen 2007 von Kelly noch etwas lernen?

Mit ihrem internationalistischen und streng pazifistischen Hintergrund wäre wenig von dem zu machen gewesen, was die Grünen in den letzten Jahren in die Regierung - wie auch in die Irre geführt hat. Vor 17 Jahren durfte ich sie mal länger interviewen und staunte über das höllische Tempo ihrer Rede, da kam man mit Fragen kaum zwischen; ein Stakkato, manchmal mehr Gewitter als Feuerwerk. Als Selbstauskunft wirkte es auf mich damals - verzweifelt, würde ich gern schreiben, aber hinterher isses immer wohlfeil zu interpretieren.

Die 68er Erinnerungswelle rollt an. Muss man sich gegen den konservativen Versuch, 68 umzudeuten, wehren - oder ihn gar nicht erst ignorieren?

Mir sind die Original-68er ausreichend auf die Nuss gegangen, du durftest ja in der Schülerratssitzung als Unterstufensprecher keine günstige Pausencola fordern, ohne dass dir die 13er-Jahrgänge erst mal ne grundlegende Haltung zu Vietnam abverlangten. Nee, gerade weil ich mir diese Generation aus der Nähe angucken konnte, möchte ich mich nicht mit dem langweilen, was jetzt noch mal an Zweiterhand-Erinnerung hochgewürgt wird. Auch, weil in meinem Urteil klar ist - in einem Land, in dem es 68 nicht gegeben hätte, würde ich ersticken, trotz allem.

In Annapolis lädt Bush morgen zur Nahostkonferenz

Bei Bush ist man geneigt, der Suggestion folgend "eh nicht" zu sagen. Aber Clinton wollte gegen Ende auch nur noch Nobelpreis, gucken wir mal !

Und was macht Borussia Dortmund?

Ne "Ad-hoc-Mitteilung über planmäßige Verluste im ersten Quartal", zu der die einzige börsennotierte AG der Liga verpflichtet ist. Wumpe, wer diese Spiele guckt, kauft auch solche Aktien.

FRAGEN: STEFAN REINECKE

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