piwik no script img

Archiv-Artikel

Peres verliert Wahl

Der neue Chef von Israels Arbeitspartei heißt Amir Peretz. Er kündigt die große Koalition auf und will Neuwahlen

JERUSALEM taz ■ Diesmal wollte sich Schimon Peres nicht auf Umfragen verlassen. Sie sind „wie Parfüm“, meinte Israels Vizepremier vor der Wahl des neuen Vorsitzenden der Arbeitspartei, „angenehm zu riechen, aber gefährlich zu schlucken“. 10 bis 20 Prozent Vorsprung vor seinem Gegenkandidaten Amir Peretz versprachen die Prognosen. Doch die Skepsis war berechtigt. Gestern früh verkündete die Arbeitspartei das knappe Ergebnis: Der ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Peretz ist neuer Chef der Arbeitspartei.

„Wir wollen uns trennen“, verkündete der Wahlsieger seine Absicht, die Koalition zu verlassen. Es gehe jetzt darum, die Arbeitspartei „zu einer echten Alternative“ zu machen, um dann die vorgezogenen Neuwahlen zu gewinnen. Schon Anfang kommender Woche will sich Peretz mit Regierungschef Ariel Scharon zusammensetzen, um über einen Termin zu beraten.

Ursprünglich hätte im November kommenden Jahres gewählt werden sollen. Für Scharon zerbricht mit dem Wechsel an der Spitze der Arbeitspartei das letzte Standbein seiner wackligen Regierung. Der Regierungschef muss sich schleunigst entscheiden, ob er als Kandidat des Likud in den Wahlkampf geht oder mit einer eigenen Liste.

Peretz strebt eine „echte Alternative“ im sozial-ökonomischen Bereich an. Zwar sei Wettbewerb gut für Israel, aber „Wettbewerb, der zum Dschungel wird, niemals“. Tommi Lapid, Chef der liberalen Schinui-Partei, kritisierte den „Antireformkurs“ der Arbeitspartei, die nun von einem „sozialistischen Demagogen“ geleitet werde.

Sein erster Weg führte den frisch gewählten Parteichef zum Grab von Jitzhak Rabin, „meinen Lehrer“, wie Peretz betonte. Rabin war vor zehn Jahren von einem jüdischen Extremisten erschossen worden. „Wir werden nicht zulassen, dass dein Weg ermordet wird“, versprach Peretz. „Wir werden nicht zulassen, dass der Frieden ermordet wird.“ Er werde nicht aufgeben, bis eine endgültige Einigung mit den Palästinensern erreicht ist.

Der 82-jährige Wahlverlierer Peres tat sich schwer mit dem Ergebnis, vermutete zunächst Wahlbetrug und forderte eine Untersuchung. „Ich habe einen besseren Abend erwartet“, war der einzige Kommentar des scheidenden Parteichefs, der seinem Nachfolger bis zum Nachmittag noch nicht gratuliert hatte. „Schimon, ich brauche dich ehrlich“, appellierte Peretz dessen ungeachtet an seinen Parteifreund. „Ich will dich an meiner Seite.“ SUSANNE KNAUL