BKA-Ermittlungen in der linken Szene: Das Schweigen der Bürgerrechtler

1987 überfiel die Stasi eine Druckerei der DDR-Opposition. Stasiakten aus solchen Razzien verwendet derzeit das BKA bei Ermittlungen im linken Milieu.

Mahnwache vor der Ost-Berliner Zionskirche am 29. November 1987 als Protest gegen die Durchsuchung in der Umweltbibliothek Bild: dpa

BERLIN taz Die Zionskirche, gelegen an der höchsten Erhebung Berlins, kann für sich das allzu oft strapazierte Prädikat "Gedächtnisort" in Anspruch nehmen. Denn im Keller des Gemeindehauses der Kirche, wurden in den 80er-Jahren die halblegalen Umweltblätter gedruckt. Für die entstehende ökologisch-demokratische Bewegung in der DDR ein Vorhut-Unternehmen. In der Nacht zum 25. November 1987 durchsuchte die Staatssicherheit den Keller. Materialien wurden beschlagnahmt und mehrere Umweltaktivisten festgenommen.

Was folgte, waren Mahnwachen und Plakataktionen vor den Toren der Kirche, das war bis dahin einmalig für die demokratische Opposition der 80er-Jahre. An solchen Solidaritätsaktionen teilzunehmen, war ein Ausweis von Mut, denn die fünfzig Meter vom Gemeindehaus bis zur Kirche als "Schutzraum" boten der Stasi genügend Gelegenheit, die Protestierer abzuräumen. Jetzt, genau nach 20 Jahren, wurde vor dem Gemeindehaus eine Gedenktafel enthüllt und zahlreiche Veteranen, aber auch linksorientierte Nachwuchs-Christen, darunter eine Vertreterin von Attac, trafen sich zu einer Gedenkveranstaltung.

Die Durchsuchungsaktion der Stasi folgte dem Fingerzeig eines in die Umweltbibliothek eingeschleusten Inoffiziellen Mitarbeiter. Denn im Keller wurden nicht nur die Umweltblätter gedruckt, sondern auch andere oppositionelle Zeitschriften wie der Grenzfall, über den die Kirche nicht ihre schützende Hand hielt. Der Grenzfall sollte beschlagnahmt und seine Redakteure verhaftet werden. Kurz vor Druckbeginn änderten die Umweltblätter-Produzenten jedoch den Plan, der IM konnte nicht mehr informieren, so dass die Stasi die Mitarbeiter des Grenzfall nicht in flagranti ertappen und verhaften konnte.

Hans Simon, ehemaliger Pfarrer der Zionskirche, Wolfram Hülsemann, ehemals Stadtjugendpfarrer, und Katrin Hattenhauer, ehemals Theologiestudentin in Leipzig, bekundeten , wie sehr das Gelingen demokratisch-oppositioneller Aktivitäten im Raum der Kirche von der Entschlossenheit einzelner Pfarrer und christlicher Gruppen abhing. Denn die demokratischen Aktivisten waren oft eingezwängt zwischen der timiden Kirchenführung und Gemeinderäten, denen das Treiben der "Kirche von unten" verdächtig war. Pfarrer Simon würdigte Zion deshalb als "Ort der Hoffnung und der Ermutigung".

Umso erstaunlicher, dass auf der Veranstaltung kein Wort der Ermutigung laut wurde für die Redakteure des telegraf, einer Nachfolgezeitschrift der Umweltblätter. Im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die "Militante Gruppe" (MG) hatte das Bundeskriminalamt (BKA) bei der Birthler-Behörde Opferakten von Redakteuren des telegraf aus dem Jahr 1988 angefordert. Diesem Anliegen wurde entsprochen. Bei den Akten ging es um einen Überfall der Stasi auf die Umweltbibliothek. Gesprengt werden sollte von der Stasi ein Treffen, das der Planung von Aktionen gegen die Tagung von Weltbank und Weltwährungsfond in Westberlin dienen sollte. Das BKA wollte diese Stasiakte zum Zweck des "Profiling" auswerten. Immerhin hatte an der Veranstaltung von 1988 der Vertreter einer Organisation teilgenommen, die von der Stasi als terroristisch eingeschätzt wurde, und das Bundeskriminalamt ermittelte jetzt gegen die telegraf-Redakteure wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der Name der angeblichen Terroristen-Truppe klingt vertraut: Greenpeace.

Zum Schweigen vieler DDR-Oppositioneller angesichts heutiger Bedrohungen der Meinungsfreiheit heißt es im jüngsten telegraf: "Der größere Teil der heute DDR-Bürgerrechtler genannten Mitglieder der DDR-Opposition beschäftigt sich lieber ausschließlich mit der Verletzung demokratischer Rechte und Freiheiten vor 1990, um nicht die deutsche Gegenwart und deren Realitäten zur Kenntnis zu nehmen und in eigenes Tun übersetzen zu müssen."

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