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Archiv-Artikel

Wünsche werden wahr

SCHNAPS Bremer Medien jazzen eine Nonsens-Meldung lustvoll hoch, weil der FDP-Landesvorsitzende Oliver Möllenstädt es redlich verdient, gebasht zu werden

Die Äußerung zeugt von einer geistig-moralischen Verarmung, die ein schweres Trauma vermuten lässt

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Es gibt Meldungen, bei denen alle sofort wissen müssten: Großer Quatsch und purer Nonsens, und die es dann trotzdem zum Aufreger-Thema in die Zeitungen und ins Radio schaffen. Wohl, weil sie sich dadurch einen vorweihnachtlichen Rache-Wunsch erfüllen können.

Das gibt’s – siehe Italien – im großen ebenso wie im klitzekleinen Maßstab – siehe Bremen. Denn da verkündete am Montag eine Pressemitteilung der Bremer Linksfraktion den Redaktionen große Freude: Gegen Oliver Möllenstädt, hieß es darin, ermittle die Staatsanwaltschaft, o, du Fröhliche, wegen Volksverhetzung, was waren wir alle selig: Klar, dieser Möllenstädt, dessen Ruhm jenseits von Huckelriede noch klein ist, hat sich längst zu Bremens bestgehassten Bübchen gemausert. Und so begab es sich, dass Radio Bremen das Sujet aufgriff, die örtliche Bild ihm eine Viertel Seite widmete, und der Weser-Kurier die Behauptung der Linksfraktion noch etwas verschlankte: „Ermittlungen gegen FDP-Mann“, hieß es.

Klar war das grober Unfug, und nicht nur daran zu erkennen, dass auch die Bremer Staatsanwaltschaft ihre Pressemitteilungen nur in seltenen Fällen über die Linksfraktion absetzt. Es kommt hinzu, dass der FDP-Landesvorsitzende seit 2007 Abgeordneter der Bürgerschaft ist – und: „Mit uns hat man sich bislang noch nicht in Verbindung gesetzt“, so der Sprecher des Parlamentspräsidenten.

Müsste man aber. Denn in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft heißt es: „Vor Einleitung eines Verfahrens“ – und Ermittlungen sind ja Teil des Strafverfahrens – „ist dem Präsidenten und dem betroffenen Abgeordneten Mitteilung zu machen“. Letzteres nur, wenn er nicht, solcherart vorgewarnt, Beweismaterial verschwinden lassen könnte. Doch die Gefahr besteht nicht: Angezeigt worden war der Rechtsausschuss-Vorsitzende wegen Äußerungen zur örtlichen Diskussion über die Finanzierung von Familienplanung unter den Bedingungen von Hartz IV. Das Sozialressort hatte angeregt, bedürftigen Frauen die Kosten für die Pille belegfrei zu erstatten. Also de facto, den Regelsatz zu erhöhen. Und Möllenstädt…

Er hält, sagt er der taz, „überhaupt nichts davon“, den politischen Streit per Strafrecht auszutragen. Ihn habe „die Einfallslosigkeit der Debatte geärgert, daher die Wortwahl“. Dass die eine sachliche Auseinandersetzung eher verhindert, „mag sein“, räumt er ein. Aber da bitte er zu bedenken, dass er erst 31 Jahre alt sei. Tatsächlich sieht er sogar aus, als wäre er noch nicht strafmündig und müsste sich beim Erwerb von Spirituosen stets ausweisen. „Ich wollte“, sagt er, „niemanden persönlich verletzen“.

Reue? Einsicht? Unwahrscheinlich. Dann hätte Möllenstädt die einschlägige Pressemitteilung ja offline gestellt, oder wenigstens auf seiner Website kommentiert. Wobei das schwierig gewesen wäre. Denn über ihren Tenor gibt es kaum zwei Meinungen. In dem Schrieb nämlich behauptet Möllenstädt, der kürzlich noch das Verbot des Flat-Rate-Saufens bekämpft hat: „Eine Erhöhung des Regelsatzes werden die Empfängerinnen eher in den nächsten Schnapsladen tragen, als diesen in Vorsorge und selbstbestimmte Familienplanung zu investieren.“ Das ist selbst dann noch frauenfeindlich, wenn die Zweideutigkeit des Wortes Empfängerinnen unbemerkt bleibt, es ist menschenverachtend und zynisch. Kurz: Die Äußerung zeugt von einer geistig-moralischen Verarmung, dass man unwillkürlich an schwere frühkindliche Traumata denken mag, die mildernde Umstände begründen könnten. Möllenstädt stammt aus Braunschweig.

Dass es zum Verfahren kommt, ist unwahrscheinlich: Um wegen Volksverhetzung verurteilt zu werden, hätte er seine Äußerungen laut Strafgesetz „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ tätigen müssen. Und viel eher ist ja das Gegenteil der Fall – denn so einig war sich Bremen lange nicht mehr. „Ich erwarte nicht, dass mir das schadet“, sagt Möllenstädt dann auch über die Strafanzeige. Er dürfte, leider, Recht behalten.