Musterklage gegen Ungleichbehandlung: Mutter kämpft gegen Elterngeld

Vier Kinder, 300 Euro Elterngeld: Eine Mutter will mit einer Musterklage bis vors Verfassungsgericht ziehen. Die Leistung bevorzuge reiche Eltern, argumentiert sie.

Wer nicht arbeitet, aber viele Kinder bekommt, wird durch das Elterngeld benachteiligt, meint die Klägerin. Bild: ap

Die Frau hatte wenig Zeit für Job und Karriere. Sie zieht drei Kinder groß. Nun hat sie das vierte geboren. Sie erhält jetzt 300 Euro Elterngeld. Wäre sie vor der Geburt arbeiten gegangen, stünde sie wohl besser da. Das ist ungerecht, findet die Mutter aus dem Umland von Bad Kreuznach. Sie zieht jetzt vor das Sozialgericht Mainz - mit einer Musterklage gegen das neue Elterngeld.

"Wir halten die Regelung für verfassungswidrig", sagt Rechtsanwalt Volker Höhler, der die Frau vor Gericht vertritt. "Es ist nicht haltbar, dass Eltern ungleich behandelt werden." Seit Anfang des Jahres erhalten Eltern, die für ein Baby pausieren, 14 Monate lang 67 Prozent des letzten Einkommens, maximal 1.800 Euro. Arbeitslose oder Studierende erhalten 300 Euro.

Ganz von alleine ist die vierfache Mutter nicht auf die Idee gekommen, die geltenden Regeln anzufechten. Unterstützerin der Klage ist die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp) - eine konservative Splitterpartei, die unter anderem ein "Erziehungsgehalt" für Hausfrauen fordert. Eifrig sucht die ödp derzeit nach Müttern, die sich nicht mit ihrem Elterngeld abfinden wollen. Sie möchte ein Grundsatzurteil erwirken - und bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.

Die Klage ist auch der Versuch einer wenig beachteten Kleinpartei, Aufmerksamkeit zu erlangen. Und doch schärft sie den Blick für ein Problem, das schon bei der Einführung des Elterngeldes für Debatten sorgte: Ist es wirklich richtig, aus Steuergeldern eine Leistung zu finanzieren, bei der gut situierte Eltern mehr erhalten als arme Eltern?

Nein, meinen die Kläger. "Durch die Regelung zur Höhe des Elterngeldes () wird die Klägerin in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt", heißt es in der Klageschrift, die der taz vorliegt. Überdies sei Elterngeld als Sozialleistung "systemwidrig", weil es sich nicht an dem Bedarf orientiere, sondern am Einkommen.

Dass die Klage das gerade erst eingeführte Elterngeld wieder ins Kippen bringt, ist indes unwahrscheinlich. Auch Anwalt Höhler räumt ein, dass sie in den unteren Instanzen wohl abgewiesen wird. Schließlich wird die Klägerin ja gemäß der geltenden Gesetze behandelt. "Erst wenn das Thema beim Bundesverfassungsgericht landet, also das Gesetz an sich auf dem Prüfstand steht, wird es interessant."

Christel Riedel vom Bundesvorstand des Deutschen Juristinnenbundes hält die Aufregung für grundlos. Ihrer Ansicht nach ist das Gesetz nicht verfassungswidrig. "Es ist auch staatliche Aufgabe, einen Rahmen zu schaffen, der die Entscheidung für ein Kind vereinfacht", sagt sie. Riedel hält die Regelung für "durchaus sozial verträglich" - weil ja zum einen jeder zumindest den Sockelbetrag erhält und zum anderen nach oben hin die 1.800-Euro-Grenze gesetzt ist. Welcher Sicht sich die Verfassungsrichter anschließen werden, wird sich erst in mehreren Jahren erweisen. Solange wird es wohl dauern, bis sich die Mutter durch die Instanzen geklagt hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.