Waffeln vom Polizeichef: Schneehasen auf der Spur

Langlaufen, Hundeschlitten- und Skifahren - eine Woche in Schwedens abgeschiedenen Bergen verspricht Abwechslung und Naturerlebnisse

Ski-Rennen Bild: www.imagebank.sweden.se (c) Bo Lind/VisitSweden

"Nä, denn sint wa nu äntlich kompläät!", grüßt Busfahrer Karl-Heinz im Seemannsslang, als ich fünf Minuten vor der Zeit im Sauseschritt an der Hamburger Reisebushaltestelle angefegt komme. Der Rest der elf Mann starken Truppe ist schon länger "an Board". Und ab geht's nach Norden. 1.200 Kilometer und 15 Stunden später stehen wir in gleißendem Sonnenschein mitten in Schweden, im Camp Idre Stugor. Es besteht aus mehreren Blockhütten mit Duschen, Kochecken und Sitzbereichen, in denen maximal vier Personen wohnen.

Die Luft auf dem Vorplatz ist schneidend kalt, und der Schnee knirscht bei unseren ersten müden Gehversuchen. Wenig später erscheint Thomas, der Leiter des Camps. Per du sind hier alle ganz selbstverständlich, von der Blumenverkäuferin bis zum Rechtsanwalt. Thomas ist das fleischgewordene Klischee eines Gruppenleiters für Naturerlebnisreisen. Groß und kräftig, wettergegerbtes Gesicht und dunkelschwarzer Vollbart. Einzig die frisch gestopfte Pfeife im Genießer-Mundwinkel fehlt. Doch statt Tabakrauch lockt der Duft von frisch gebrühtem Kaffee.

Nach einem ausgiebigem Frühstück und ersten Einweisungen geht's los zur Hausloipe. "Anfänger? Kein Problem!", erklärt Thomas. "Skilanglauf das geht so: Schlurfen wie's Mutti immer verboten hat und dabei wechselseitig die Stöcke einsetzen." Siebeneinhalb Kilometer später erreicht der harte Kern keuchend und um die Erkenntnis reicher das Camp: "Skilanglauf, das ist wirklich anstrengend."

Wem der Sport des Vortages noch nicht gereicht hat, geht am nächsten Morgen wieder auf die Loipe, diesmal über das Hochplateau Idre Fjäll. Der Ski flutscht zunächst ganz von selbst und im Stil von Angerer und Künzel gleiten wir elegant durch die unendlich weit scheinende Landschaft. Ein paar kleinwüchsige Bäume, Birken und Sträucher und ab und zu die Fährte eines Schneehasen.

Nach rund neun Kilometern, und weit weniger zügig, erreichen wir abseits der Loipe eine kleine Hütte. Auf der Veranda davor stehen Kaffee und Tee, Marmelade und Schlagsahne. Aus dem Schornstein des Häuschens nebenan steigt Qualm auf. Drinnen sitzt Svängis, der ehemalige Polizeichef von Idre, und backt Waffeln. Das Waffeleisen hängt in einer Halterung über der Feuerstelle und ist total verrußt. Svängis schaut uns an und setzt seine Arbeit fort. Moltebeer-Marmelade und Schlagsahne gibt es, so viel das Herz begehrt. Wer die typisch schwedische Marmelade nicht mehr missen will, kann ein Glas selbstgekochte erstehen.

Erste Blasen zeichnen die Fersen und so wechseln wir am dritten Tag die Disziplin: Schneeschuhwandern im Fulufjället-Nationalpark. Über zugefrorene Bäche und Hügel führt unser Marsch abseits der Wege. In der Ferne leuchtet das Eis des Njupeskär. Mit 93 Meter Höhe ist es der höchste Wasserfall Schwedens. Während der Wintermonate fallen die Fontänen wie zu Salzsäulen erstarrt in den Farben der Marke "Schlumpfeis" dem Tal entgegen.

Zur Vervollständigung des winterlichen Triathlons besuchen wir am nächsten Morgen die Coldfeet Huskyfarm. Lautes Gebell und Gejaule begrüßen uns. Jeder der Hunde will der Lauteste sein. "Nimm mich mit! Ich bin der Stärkste, Schönste, Schnellste!", scheinen sie zu rufen. Gittan, die uns auf unserer Tour begleiten wird, ist ein schwedisches "Urgestein" mit markant männlichem Bewegungshabitus. Während der Fahrt flattern ihre rotbraunen Haare im Wind. Ihr Gesicht ist gerötet, ihre Augen leuchten. Der Schlitten gleitet nahezu lautlos durch Wälder und über zugefrorene Seen. Manchmal knattert das Walkie-Talkie und wir halten an. Sechs Huskys drehen sich mit vorwurfsvollem Blick zu ihrem Musher, ihrer Leitperson, um und tänzeln unruhig auf der Stelle. Meist muss ein Hund seine Position wechseln oder hat sich die Pfote verletzt. Tierpflegerin Sara rennt los und schwenkt dabei eine Plastiktüte. Das Pfötchen wird begutachtet und im Zweifelsfall in rote oder schwarze Söckchen gesteckt.

Nach dem Mittagessen deutet Gittan lachend auf den Schlitten und setzt sich hinein. Ich stelle mich auf die Enden der Kufen und nach einem kurzen "Yiep, yiep!" ruckt der Schlitten an. Vor mir die Hunde, hinter mir sieben weitere Gespanne und das Gefühl, Herrscher über die Wildnis zu sein. Gittan lässt sich den Wind um die Ohren streichen, schaut zu mir hoch und erzählt von ihren Hunden, den beiden Rottweilern, die inzwischen wie Huskys jaulen, und den offiziellen Rennen. Von ihrem Freund Seth Sjöblom, früher Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft, und dass er im nächsten Jahr wieder an den Start bei den Meisterschaften gehen will.

Meisterlich geht es auch bei uns weiter: Am nächsten Tag ruft die Piste. Ich schnalle die "Alpinen" an und wage die ersten Kurven im Idre-Fjäll-Skigebiet. Der Schnee ist weicher als Watte und nach einiger Zeit kann ich nicht mehr verstehen, warum Rossignol und Co. Kanten an die Bretter schweißen. Die Piste ist nahezu leer, und der Ausdruck "Am Lift anstehen" verliert die panikauslösende Wirkung des letzten Österreichurlaubs.

Am Ende des Tages sind die schwarzen Pisten "Svarten 1 + 2" zwar noch immer nahezu leer, trotzdem haben Schwedens Wintersportler den Hängen ein neues, zerklüftetes Gesicht gegeben. Bei Schneewehen und Eisplatten sinkt der Spaßfaktor auch hier rapide. Die zahlreichen leichten Pisten, einschließlich Kinderparadies mit röhrenden Elchen, sind hingegen noch gut befahrbar. Für eine ganze Woche Alpinski bieten die 32 Pistenkilometer aber zu wenig Abwechslung.

Nach zwei weiteren Tagen klart der Himmel endlich auf. Die letzten Saunierer sitzen noch im prallen Sonnenschein nur mit Handtüchern bekleidet in Klappstühlen im Schnee. Doch die Zeit drängt und wir nehmen jetzt Fahrt in Richtung Heimat auf. Plötzlich kreuzen Rentiere unseren Weg. Der Bus bremst ab, die Tiere schauen uns mit großen Augen an und wir grüßen. "Rentier ahoi!"

Diese Reise erfolgte mit Unterstützung von "Rucksack Reisen"

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