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Archiv-Artikel

Friedensstifter aus Sowjetzeiten

RUSSLAND Kreml tauscht Führung in der Nordkaukasusrepublik Dagestan aus. Der Neue soll vor allem Konflikte zwischen muslimischen Gruppen beilegen

BERLIN taz | Die Nordkaukasusrepublik Dagestan hat eine neue Führung: Ramasan Abdulatipow heißt der fortan erste Mann, der per Erlass von Russlands Präsidenten Wladimir Putin ernannt wurde. Der Abgeordnete der Kremlpartei „Vereintes Russland“ ist ein Schwergewicht in der russischen Politik.

Zwar hat Abdulatipow, der aus Dagestan stammt, aber seit Jahren nicht mehr dort lebt, zu Hause keine Hausmacht. Dennoch begrüße die Bevölkerung der Republik mit drei Millionen Einwohnern seine Ernennung, so der Chef der dagestanischen Journalistenunion Ali Kamalow.

Ein Grund dürfte sein, dass Abdulatipow sich seit den 80er Jahren in allen Verwaltungen der UdSSR und später Russlands Anerkennung verschaffte. 1988 war Abdulatipow Berater in der Abteilung für nationale Beziehungen des Zentralkomitees der KPdSU und anschließend drei Jahre Vorsitzender des Nationalitätenrates des Obersten Sowjets Russlands. 1993 arbeitete er an der Verfassung der Russischen Föderation mit. Unter seine Führung wurde 1996 das Konzept der Nationalitätenpolitik Russlands erarbeitet.

Am Donnerstag wurde mit Muchtar Medschidow auch ein neuer Ministerpräsident eingesetzt und gleich mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Er werde jedoch nicht alle Mitglieder der bisherigen Regierung ihrer Posten entheben, kündigte Abdulatipow in seiner ersten Rede als geschäftsführender Chef der Kaukasusrepublik an.

Zudem wolle er die Wirtschaft wieder ankurbeln. Der Bau von sechs Wasserkraftwerken solle Geld in die Republikskasse bringen und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig sei es ihm wichtig, den Konflikt zwischen Dagestans Muslimen zu beenden, sagte Abdulatipow. Dabei wolle er aber nicht nur auf Gewalt setzen.

Seit Jahren kämpfen salafistische Aufständische gegen Angehörige der sunnitischen Mehrheit und der staatlichen Sicherheitsorgane. In kaum einer anderen Region Russlands ist die Lage so angespannt wie in Dagestan. Allein zwischen dem 21. und dem 27. Januar 2013 waren sieben Menschen getötet und ein Mann entführt worden. Eine weitere Frau wird nach einer Entführung vermisst.

Für die russischen Medien ist die Ernennung Abdulatipows ein Ereignis, dessen Bedeutung weit über Dagestan hinausreicht. Damit unterstreicht der Kreml die Bedeutung einer Region, in der 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden sollen. Von Abdulatipow ist – vergleichbar der Politik von Inguschetiens Chef Junus-bek Jewkurow – eher eine Politik des Ausgleichs zwischen den unterschiedlichen Kräften zu erwarten, anstatt einer rücksichtlosen Unterdrückung jeglichen Dissenses wie in Dagestans Nachbarrepublik Tschetschenien. Gelingen wird dies Abdulatipow nur, wenn er sich auch in Zukunft der Unterstützung des Kreml sicher sein kann. Sonst könnte ihn ein ähnliches Schicksal wie Jewkurow ereilen. Dieser war nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt in Inguschetien bei einem Attentat schwer verletzt worden. BERNHARD CLASEN