die wahrheit: Drei irische Biere und das Mädchen auf Pilzen (Teil 1)

Ralf Sotscheck ist ein "Bessie", ein Beutebesessener. Ein geheimnisvoller innerer Antrieb zwingt den Berliner Iren dazu, dauernd Beute zu machen, ...

Ralf Sotscheck ist ein "Bessie", ein Beutebesessener. Ein geheimnisvoller innerer Antrieb zwingt den Berliner Iren dazu, dauernd Beute zu machen, aber sobald er sie besitzt, muss er die Hände wieder freibekommen, um erneut etwas ergattern zu können. Wenn man mit Ralf Sotscheck durch die Straßen einer Stadt läuft, kann es passieren, dass er plötzlich ein Buch erwirbt, einen mit treuherzigem Augenaufschlag ansieht und bittet, es kurz zu halten - und anschließend trägt man den ganzen Tag das Buch herum. Einmal war ich mit Tom, dem Zeichner, in Frankfurt unterwegs. Plötzlich zuckte Tom zusammen und griff schützend zu seinem Rucksack, um mich kurz darauf entgeistert anzuschauen: "Ich dachte für einen Moment, Ralf wäre hier und hätte mir ein Buch in den Rucksack geschmuggelt."

Nie könnte man dem alten Bessie Sotscheck dafür böse sein. Nur einmal, da wäre es fast zum Bruch gekommen, Glasbruch gewissermaßen. Schuld waren drei Flaschen irischen Bieres. Eines Tages kam der Irlandkorrespondent zu einem Heimatbesuch in die Redaktion und stellte mir drei Flaschen Bier auf meinen Schreibtisch. Besondere Biere, wie der Dubliner erklärte, denn es seien drei seltene Marken, die für ein Bier-Lexikon des Wahrheit-Autors Michael Rudolf bestimmt wären. Ich sollte sie ihm doch bitte zuschicken. Drei Flaschen verschicken? Wie komme ich zu der Ehre? "Nein!", erklärte ich Ralf Sotscheck, "das werde ich nicht tun." Er solle doch bitte selbst ein Flaschenpaket kaufen und bei der Post aufgeben. "Du machst das schon", war der erfahrene Lastenverteiler sich sicher. "Nein!" Diesmal wollte ich hart bleiben. Und um ihm eine Lehre zu erteilen, nahm ich die drei wertvollen Flaschen mit heim. Nach einer angemessenen Schmerzenszeit wollte ich sie wieder freigeben. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Die Flaschen wurden leergetrunken. Zuvor hatte ich die schrecklichsten fünfzehn Minuten meines Lebens erlebt:

Rums. Pause. Rums. Und wieder Pause. Seit einer halben Stunde krachte es in der Wohnung drüber, als ob jemand mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Rums. Und wieder Pause. Das klang nicht normal. Also entschloss ich mich, nach oben zu gehen und nachzusehen. Irgend etwas stimmte nicht bei den Nachbarn.

Oben horchte ich an der Tür. Drinnen rumste es wieder, aber jetzt hörte ich auch eine hohe Stimme. Die etwas sang, oder ...? Jetzt klirrte es sogar. Rums. Und Pause. Ein Schrei! Mit beiden Fäusten hämmerte ich an die Tür. Und horchte wieder. Stille. Rums. Und Pause. Sang da tatsächlich jemand?

Gerade wollte ich die Tür eintreten, als sie einen Spalt aufgezogen wurde. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück. "Aramana, Aramana ...", war eine Stimme von innen zu hören. Ich stieß die Tür auf und mir sträubten sich die Nackenhaare. Lisa stand im Flur. Die Nachbarstochter. Fast nackt, bis auf ein kleines rotes Hängerchen. Ihre Augen rollten wirr hin und her. Ihre Beine und Füße waren blutüberströmt. Überall lagen Glas- und Porzellansplitter. Alle Spiegel waren zerstört. Keine Tasse, kein Teller war mehr heil. Und wieder schrie sie: "Aramana, Aramana, ich weiß es genau ...!"

Fortsetzung nächste Woche

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1961, lebt in Berlin-Friedenau und ist seit dem Jahr 2000 Redakteur für die Wahrheit-Seite der taz.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.