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Archiv-Artikel

Zwei Frauen. Einmal Basis, einmal Glanz

Für den SPD-Parteitag nächste Woche sind zwei Frauen als neue Vizevorsitzende nominiert: Elke Ferner und Bärbel Dieckmann. Die eine hat erst Hartz IV und dann Lafontaine bekämpft, die andere hat zweimal Zwillinge geboren und dann Bonn erobert

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Elke Ferner hat noch nie in ihrem Leben in einer Talkshow gesessen. Nicht mal in einer unwichtigen. Das ist erstaunlich, denn nächste Woche soll sie eine von fünf stellvertretenden SPD-Vorsitzenden werden. Die andere Neue, Bärbel Dieckmann aus Bonn, war wenigstens schon mal bei Phoenix und im WDR-Fernsehen. Kurt Beck, Peer Steinbrück und Ute Vogt sind routinierte Christiansen-Quatscher. Aber Elke Ferner sagt: „Ich gucke manchmal Talkshows, aber ich war noch nie in so einer Runde.“

In der SPD hat Fernsehtauglichkeit zuletzt viel gezählt. Beim Kampf um den Generalsekretärsposten wurde Andrea Nahles zugute gehalten, dass man sie in Talkshows schicken könnte. Wenn Ferner einem gegenübersitzt, in ihrem Bundestagsbüro mit den Akten über Haushalt, Kohle und Hartz IV, wirkt sie herzlich und aufgekratzt, aber nicht wie der kommende Fernsehstar. „Was ich auf dem Parteitag sagen will, muss ich mir noch überlegen“, meint sie. „Die SPD muss auch unabhängig von der Koalition ihr eigenes Profil entwickeln.“ Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Nachrichtenagenturen auf solche Sätze stürzen werden. Spannende Hobbys? Sie spielt gern Doppelkopf und fliegt in den Ferien in den Süden.

Die 47 Jahre alte Saarbrückerin hat etwas anderes, etwas, das die SPD braucht. Sie steht für jene Sozialdemokraten, denen mehr und mehr zugemutet wurde, je länger Gerhard Schröder regierte. Sie hat als Staatssekretärin im Verkehrsministerium kurz von der Macht gekostet, hat um Hartz IV gerungen und wurde in die Fehde zwischen Schröder und Lafontaine verwickelt.

Ihr Vater hat im Stahlwerk in Saarbrücken gearbeitet, die Mutter war Hausfrau, sie haben immer SPD gewählt. Als Einzige in der Nachbarschaft ging sie aufs Gymnasium. Nach dem Abitur hätte sie gern Wirtschaftsinformatik oder Sozialpädagogik studiert. Aber das gab es in Saarbrücken nicht, und der Vater war dagegen, dass sie extra fürs Studium wegzieht. Sie ist dann in Saarbrücken geblieben und hat EDV-Kauffrau gelernt. 1983 ist sie in die SPD gegangen. Sie machte in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen mit. Der Quote in der SPD verdankt sie es, dass sie 1990 in den Bundestag rutschte. Eine von vielen Abgeordneten, die höchstens auffiel, als sie die Asylrechtsänderung nicht mittrug. Als die SPD nach 16 Kohl-Jahren an die Macht kam, wurde sie Staatssekretärin, Verkehrspolitik war ihr Lieblingsthema. Zwei Jahre später verlor sie das Amt, weil der neue Minister Kurt Bodewig nicht mit ihr konnte.

Sie hat dann mit den Linken der Fraktion gegen Hartz IV gekämpft, ein paar Details umgebogen und am Ende doch zugestimmt. Die Wahlkämpfer der Linkspartei haben das allen erzählt in Saarbrücken. Lafontaine ist dort im Sommer gegen Elke Ferner angetreten. Lafontaine, für den sie einst Broschüren verteilt hatte. Am Ende hat sie gewonnen. „Er war nur einmal vor Ort und hat auf seine Fernsehpräsenz gesetzt.“ Sie war vor Ort.

Sie ist stolz auf diesen Sieg, sie könnte daraus eine gute Erfolgsgeschichte basteln. Aber sie lächelt nur zufrieden.

Die andere neue Vizechefin der SPD könnte vielleicht mehr daraus machen. Bärbel Dieckmann, die Oberbürgermeisterin von Bonn. Sie ist keine, die in die Medien drängt. Das wäre auch unnötig, denn die Medien kommen auf sie zu. Als die Nominierungen bekannt wurden, hat sich der Deutschlandfunk zum Interview nicht Ferner ausgesucht, sondern Dieckmann. Und die Zeitungen in Nordrhein-Westfalen warfen gleich die Frage auf, ob sie denn bei der nächsten Landtagswahl Jürgen Rüttgers herausfordern wird. Sie dementierte streng.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die 56-Jährige öfter in Fernsehstudios sitzen wird. Diplomatentochter, jahrelang Vertrauenslehrerin, ihr Mann der SPD-Chef von Nordrhein-Westfalen. Sie hat zwei Zwillingspaare in zwei aufeinander folgenden Jahren geboren, zwei Jungs und zwei Mädchen. Das toppt nur die siebenfache Supermutter Ursula von der Leyen. Allerdings sind Dieckmanns Söhne Weltstars im Beach-Volleyball.

Elke Ferner wird vielleicht nie von Christiansen eingeladen. Es ist auch niemand auf die Idee gekommen, sie als Spitzenkandidatin für die nächste Wahl im Saarland ins Spiel zu bringen. Aber die meisten SPD-Mitglieder sind auch keine Weltstarmütter und keine Deichgrafen. Sie spielen gerne Doppelkopf und fliegen im Urlaub in den Süden.