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Anschlag in PakistanFanatiker verlieren Basis

Ein Selbstmordattentäter hat in Lahore mindestens 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Mit Gewaltakten wie diesen verscherzen sich die Fanatiker zunehmend Sympathien.

Polizisten waren die Opfer des Selbstmordattentäters. Bild: ap

DEHLI taz Die islamistischen Fanatiker geben Pakistan keine Ruhe. Zwei Wochen nach dem Mord an der Oppositionsführerin Benazir Bhutto hat sich im Zentrum der Millionenstadt Lahore ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und mindestens 22 Polizisten getötet. Nach Angaben eines Arztes starben auch vier Zivilisten. Dutzende Menschen wurden verletzt.

Der Attentäter sprengte sich vor dem Gerichtshof in die Luft, wo sich zahlreiche Menschen zu einer Protestkundgebung versammelt hatten. Die Polizisten haben den Selbstmordattentäter vermutlich daran gehindert, zu den Demonstranten vorzudringen. Juristen in Lahore, die seit März des vergangenen Jahres Proteste gegen Präsident Pervez Musharraf abgehalten haben, hatten vor, in Lahore gegen das Regime des einstigen obersten Armeegeneral zu protestieren. Der Generalinspekteur der Polizei der Provinz Punjab, Nasim Ahmed, sagte, bei den Sicherheitskräften in Lahore und der gesamten Provinz herrsche höchste Alarmbereitschaft. Während des am Freitag beginnenden heiligen Monats Muharram würden die Sicherheitsvorkehrungen weiter verstärkt.

Pakistanische Fernsehaufnahmen zeigten ein Horrorszenario. Ein verletzter Polizist, dem die Wucht der Detonation die Kleidung vom Leib gerissen hatte, lag schreiend am Boden. Die Leichen von mehreren Polizisten waren zu sehen. In der Nähe war der Kadaver eines Pferdes zu sehen, der noch vor einen Karren gespannt war.

Mit diesem Anschlag, der vermutlich erneut auf das Konto islamistischer Fanatiker geht, zeigen die Extremisten, dass sie ihre Chaos-Strategie gegen den pakistanischen Staat und seine Menschen fortsetzen wollen. Das eiskalte Kalkül: Nachdem es ihnen gelungen ist, mit dem Mord an Bhutto eine Verschiebung der Parlamentswahlen auf den 18. Februar zu erzwingen, wollen sie den Staat ins Wanken bringen und aus dem Chaos heraus die Macht an sich reißen. Deswegen beschuldigt just jene den Taliban nahe stehende Islamisten-Miliz, die vermutlich für den Bhutto-Mord verantwortlich ist, nach wie vor Präsident Musharraf, den Mord über seinen Geheimdienst ISI ausgeführt zu haben.

Der Anschlag vom Donnerstag ist im Rahmen dieser Strategie zu sehen. Denn in Lahore, der Hauptstadt der Provinz Punjab, war es bislang weitgehend ruhig. Aus dem Punjab stammen die meisten einflussreichen Militärs des Landes, und auch Nawaz Sharifs Oppositionspartei PML-N hat dort ihre Machtbasis.

Doch eine "islamische Revolution" droht Pakistan mit seinen sunnitischen Fanatikern trotz allem nicht. Mehr noch: Mit ihren rücksichtslosen Gewalttaten verspielen sich die Fanatiker derzeit alle Sympathien. Denn Bhutto, sosehr sie wegen ihrer Korruptionsanfälligkeit in der Kritik stand, war eine Volkstribunin. Auch wenn in Pakistan derzeit die Version herumgeht, Musharraf und sein Geheimdienst seien in den Mord verstrickt, zeigen doch alle Finger auf die Islamisten, die nur in den unruhigen, aber kleinen Nordwestprovinzen tatsächlichen Rückhalt bei Teilen der Bevölkerung haben.

Doch auch dort haben die Fanatiker durch ihre Gewaltakte an Boden verloren. Vor ein paar Tagen töteten Islamisten mehrere Stammesführer, weil diese in Verhandlungen mit der Zentralregierung in Islamabad getreten waren. Zahlreiche der Stammesmilizen hatten sich in den vergangenen Jahren den Islamisten zugewandt. Nach dem Mord an den hoch angesehenen Stammesführern hat einer der Stämme Südwaziristans am Donnerstag angekündigt, die Islamisten und etwaige Al-Qaida-Mitglieder von seinem Gebiet zu vertreiben. Noch heute werde er eine Truppe von 600 Kämpfern aufstellen und gegen die Fanatiker losschlagen, kündigte der Stammesälteste Meetha Khan am Donnerstag bei einer Versammlung in Wana, der Hauptstadt von Südwaziristan, an.

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