Kolumne Geschöpfe: Der Branche gehts total mies!

Pink Floyd wussten es schon immer: Käme die Musikindustrie endlich auf den Hund, es ginge ihr bald wieder besser.

In Berlin gibt es eine kleine Plattenfirma mit dem schönen Namen "Der Branche gehts total mies", doch dem Vernehmen nach gehts diesem Label in Wirklichkeit ganz gut. In London hingegen gibt es eine sehr große Plattenfirma namens EMI, und der gehts wirklich mies. Genau genommen ist "mies" gar kein Ausdruck dafür, wie händeringend desolat der Zustand dieses traditionsreichen Hauses wirklich ist. Bekanntlich geht es der Branche seit Jahren schon total mies, aber seit die ehemals stolze und ohnehin gebeutelte EMI von einem schmierigen Mischkonzern übernommen wurde, dem nebenbei auch städteweise Mietwohnungen und deutsche Autobahnraststättenketten gehören, laufen ihr reihenweise die Künstler weg. Künstler halt.

Musikmagnaten sollte diese üble Entwicklung ein idealer Anlass sein, sich endlich einem notorisch unterschätzten kreativen Potenzial zu widmen. Zwar wird der Markt seit Menschengedenken von trommelnden, zupfenden, klöppelnden und singenden Primaten dominiert. Die schlummernden Talente anderer Spezies aber sind durchaus nicht zu verachten. Einige der erhebendsten Momente der Rockgeschichte sind ohne die Mitwirkung tierischer Gastmusiker schlicht undenkbar.

Bestes Beispiel hierfür sind eigentlich fast alle Platten von Pink Floyd, durch die ich mich an einem verregneten Sonntag mit wachsendem Erstaunen mal wieder hindurchhorchte. Pink Floyd, das war die Arche Noah unter den Rockgruppen, ein echter Zoo, der sich als Band ausgab und bei der EMI unter Vertrag stand.

In "Cirrus Minor" auf dem Album "More" von 1969 etwa sorgt eine anonyme Honigbiene für sporadisches Hintergrundgesummse, während eifrige Spatzen schillernde Obertöne beisteuern - die Biene verschwand in der Versenkung, die Spatzen dagegen wurden auch für die folgenden zwei Alben engagiert, man denke nur an das atmosphärisch-sommerliche "Grandchester Meadows" auf "Ummagumma". Die Zusammenarbeit mit den eher avantgardistisch veranlagten Insekten dürfte sich als zu schwierig erwiesen haben, und so mussten die Musiker ausgerechnet den makaberen Stepptanz eines Tausendfüßlers in "Several Species Of Small Furry Animals Gathered Together In A Cave And Grooving With A Pict" elektronisch simulieren. Das Cover von "Atom Heart Mother" (1970) ziert zwar eine Kuh, deutlich zu hören ist dagegen nur das Wiehern und Hufgetrappel eines Pferdes.

Blieben die menschlichen Musiker auf "Wish You Were Here" einstweilen unter sich, kams 1977 auf der allegorischen Schlachthaus-Platte "Animals" (!) wieder knüppeldick. Zu hören sind hier grunzende Schweine ("Pigs"), mähähende Schafe ("Sheep") sowie hechelnde Hunde ("Dogs") - die Stars unter den Tieren im Rockgeschäft.

Katzen dagegen müssen zum Jagen getragen respektive zum Fauchen getreten werden, ihr bettelndes Miauen ist kaum von einer zaghaft gespielten Slide-Gitarre zu unterscheiden. Zwar hat es der Wal, dieser Brian Eno unter den Tieren, mit seinen Ambient-Gesängen zu einer respektablen Solokarriere gebracht (und war neulich wieder auf "The Crane Wife" von The Decemberists zu hören), seine große Zeit aber ist vorbei. Gut, animalische Gastauftritte reichen vom hellen Quaken guatemaltekischer Giftfrösche (The Mars Volta) über einschläferndes Taubengurren (Kate Bush) bis zum bukolischen Grillengezirpe (Grandaddy).

Kaum ein anderes Vieh aber hat so viele verschiedene künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten (Hecheln, Winseln, Knurren, ja sogar Bellen) wie der Hund, wobei seine eigentlichen Qualitäten im blueslastigen Jaulen liegen, was ebenfalls Pink Floyd sich in Songs wie "Seamus" oder "Mademoiselle Nobbs" zunutze machten.

Das Logo eines EMI-Labels namens "His Masters Voice" übrigens ziert ein Hund, der neugierig in den Schalltrichter eines Grammophons hineinlauscht. Gerade EMI-Managern hätte das längst zu denken geben müssen.

Hunde pfeifen auf Tantiemen, stehen auf endlose Touren, brauchen keine Betty-Ford-Klinik, meistern nach dem "Hols Stöckchen!"-Prinzip jeden Comeback-Versuch, sind bei Vertragsverhandlungen entsprechend leicht aufs Kreuz zu legen und vor allem eines: treu.

ARNO FRANK

GESCHÖPFEFragen zur Branche? kolumne@taz.de Morgen: Corinna Stegemann MÄRCHEN

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