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Archiv-Artikel

Sparsamkeit kennt keine Grenzen

Ausgerechnet beim Landesrechnungshof will CDU-Finanzminister Helmut Linssen Stellen kürzen. Dabei spült jeder Prüfer jährlich 360.000 Euro in die leeren nordrhein-westfälischen Kassen

VON ANDREAS WYPUTTA

Ute Scholle, Präsidentin des nordrhein-westfälischen Landesrechnungshofs (LRH), sorgt sich um die Arbeitsfähigkeit ihrer Behörde. Landesfinanzminister Helmut Linssen (CDU) plane Stellenkürzungen von 13,2 Prozent, klagt Scholle in einem Brief an den christdemokratischen Landtagsabgeordneten Rolf Seel, dem Vorsitzenden des Haushaltskontrollausschusses. Mit dem Wegfall von 60 der zur Zeit 460 Arbeitsplätze bis 2010 sei die Kontrollfunktion des Landesrechnungshofs gefährdet, so die Präsidentin in dem Schreiben, das der taz vorliegt. „Eine derartige Reduzierung der externen Finanzkontrolle ist aufgrund der bestehenden Haushaltslage des Landes kontraproduktiv.“

Jeder ihrer Mitarbeiter spüle jährlich mehrere hunderttausend Euro in die unter Milliardenlöchern leidende Landeskasse, argumentiert Nordrhein-Westfalens oberste Kassenprüferin: Jeder Prüfer erziele ein „kassenwirksames Mehrergebnis in Höhe von 360.000 Euro pro Jahr“. Noch in diesem Jahr hatte Scholles Landesrechnungshof die Korruptionsaffären um die Geschäftsführung der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und des Landessportbunds aufgedeckt (siehe Kasten).

Finanzminister Linssen will dennoch an seinen Kürzungsplänen festhalten. Auch der LRH werde von der im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP vereinbarten Personalkürzung von jährlich 1,5 Prozent nicht ausgenommen, bekräftigt der Christdemokrat. „Ich bin sicher, dass die Intensität und Qualität der Prüfung nicht leiden wird“, so Linssen zur taz. Die Haushaltskonsolidierung sei „notwendig und richtig“ – und vom Landesrechnungshof immer wieder eingefordert worden. „Der Haushalt des Landes NRW befindet sich nach wie vor in einer äußerst angespannten Situation. Ausgeglichene Haushalte und Tilgung sind ein Muss. Dieses Ziel dürfte nicht ohne einschneidende Sparmaßnahmen zu erreichen sein“, zitiert Linssen genüsslich aus dem LRH-Jahresbericht 2005.

Doch ob sich der Finanzminister mit seinen Sparzielen zumindest in Sachen Landesrechnungshof durchsetzen kann, bleibt fraglich. Protest kommt nicht nur von den Finanzexperten von SPD und Grünen – auch Angela Freimuth, finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, stellt sich hinter LRH-Präsidentin Scholle. „Die Arbeit des Landesrechnungshofs ist wichtig und wertvoll“, sagt Freimuth und verweist auf die „vielen wertvollen Anregungen“ der Vergangenheit. Die Liberalen würden auch künftig „besondere Aufmerksamkeit darauf verwenden, dass der Landesrechnungshof seine Aufgaben erfüllen kann“.

Noch deutlicher wird der Grüne Rüdiger Sagel. „Völlig unsinnig“ seien Linssens Kürzungspläne ausgerechnet beim Landesrechnungshof, findet der Finanzpolitiker, wie Seel ebenfalls Mitglied des Ausschusses für Haushaltskontrolle des Landtags. Schon heute gebe es ein Kontrolldefizit gerade gegenüber der Landesverwaltung. Linssen spare am falschen Ende: „In der Finanzverwaltung fehlen hunderte Steuerprüfer, und jetzt soll auch noch beim LRH gekürzt werden“, ärgert sich Sagel. „Dabei holen die Mitarbeiter doch jährlich Hunderttausende hinein.“ „Wir werden uns ganz genau anschauen, ob Linssens Sparpläne Sinn machen“, droht auch der SPD-Finanzpolitiker Stephan Gatter.

Selbst Linssens Parteifreund Rolf Seel scheinen die Kürzungspläne des Finanzministers unangenehm. Auch auf taz-Nachfrage wollte sich der Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses nicht zu dem Schreiben von LRH-Präsidentin Scholle äußern. Es handele sich um einen „privaten Brief“, ließ er lediglich ausrichten – und dessen Inhalt werde er weder öffentlich machen noch kommentieren. Zurückhaltend gibt sich auch der Landesrechnungshof selbst. Zwar sei der Ton des Schreibens „unserem Anliegen entsprechend“ gehalten, sagt Wolfgang Krantz, Sprecher von LRH-Präsidentin Scholle. Weiter will Krantz aber nicht gehen: „Der Landesrechnungshof wird sich zu einem laufenden Verfahren, in dem noch Gespräche geführt werden, nicht äußern.“