Autofrei Nummer zwei

Ohne Motorenlärm und Benzingestank: Nach der Saarlandstraße entsteht nun auch in Klein Borstel ein autofreies Wohnprojekt. Bürgerinitiative sieht Friedhof Ohlsdorf in Gefahr

Von Marco Carini

Der Startschuss ist gefallen: Mit der städtischen Anhandgabe des 11.000 Quadratmeter großen Grundstücks direkt am Ohlsdorfer Friedhof an den Verein „Mobiles Wohnen“ steht der Realisierung einer neuen autofreien Wohnsiedlung in Hamburgs grünem Norden nichts mehr im Wege. Ein Jahr hat der Verein jetzt Zeit, die Detailplanungen für die angestrebten 35 bis 50 Wohneinheiten voranzutreiben, die Finanzierung abzusichern und die Familien auszuwählen, die hier ihre neue Heimat finden werden. Damit entsteht nach dem Wohnprojekt in der Saarlandstraße die zweite Siedlung in Hamburg, in der motorisierte Fahrzeuge außen vor bleiben.

Auf der Grünfläche, die auch ganz in der Nähe des Alstertals liegt, soll unter Federführung des Bahrenfelder Planerinnenbüros „Neustadtarchitekten“ ein Ensemble aus Reihenhäusern, Mehrfamilien-Stadthäusern und kleineren Wohnungen um einen Innenhof gruppiert werden. Alle Wohneinheiten werden über eigene Terrassen oder große Balkone verfügen. Dabei wird es eine Eigentümer- und eine Genossenschaftsgemeinschaft geben, so dass die InteressentInnen zwischen Kauf und Miete wählen können.

Daneben sind ein Gemeinschaftshaus, Fahrradgarage und eine Werkstatt geplant. Da die Siedlung auf der verwilderten ehemaligen Anzuchtgärtnerei des Friedhofs entsteht, sollen auch die Höfe grün und naturbelassen gestaltet werden.

Nur am Rand der Wohnsiedlung sollen zehn Parkplätze für BesucherInnen und Servicefahrzeuge entstehen – über Car-Sharing-Modelle wird noch nachgedacht. Da die S-Bahn-Station Kornweg zwei Fußmarsch-Minuten entfernt liegt und die Bahn nur 18 Minuten bis zum Hauptbahnhof braucht, ist das familienfreundliche Wohnprojekt mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut an die City angebunden.

Bis zum für Ende 2006 geplanten Baubeginn muss klar sein, wer hier zukünftig wohnen will. Interessierte haben noch die Chance einzusteigen, um vermutlich im Herbst 2007 ihr neues Domizil beziehen zu können.

Allerdings wettert noch immer eine örtliche Initiative, „die Bürgerbewegung Klein Borstel“, gegen die Bebauung des ehemaligen Anzuchtgartens, auf dem in mehreren Bauabschnitten insgesamt 180 Wohnungen entstehen sollen. Durch ihre Proteste erreichte die „Bürgerbewegung“ bereits, dass die ursprünglich geplante Zahl von 450 Wohneinheiten drastisch reduziert wurde.

Trotzdem befürchtet die Initiative weiterhin, dass die „Neubürger die Integrationskraft des Gemeinwesens“ überfordern, und die vorgesehene Bebauungsdichte „nicht ortsverträglich“ ist. Zudem würden dem Ohlsdorfer Friedhof seine „letzten Erweiterungsflächen“ verloren gehen. Im Klartext: Auf dem Gelände sollten lieber die Toten ruhen, als die Lebenden lärmen.

Bausenator Michael Freytag (CDU) konnten diese Argumente jedoch nicht überzeugen. Für die Hamburger Wohnraumentwicklung leiste „dieses Wohnbauvorhaben einen wichtigen Beitrag“, schrieb der Senator der Bürgerbewegung. Und gab den Autofrei-PlanerInnen das erste Teilgrundstück anhand, um ihren Traum vom Wohnen ohne Benzingestank und Motorenlärm zu verwirklichen.

Weitere Informationen für Interessierte unter www.autofreieswohnen.de oder ☎ 040/27 80 83 61