Fußball: Das Glück ist wieder zu Gast bei Hertha

Gegen einen schwachen Deutschen Meister erzielt Hertha mit Glück und Spielwillen den ersten Sieg im neuen Jahr.

Hertha wieder oben auf: Stürmer Marko Pantelic (rechts) und Stuttgart's Andreas Beck im Zweikampf. Bild: AP

Wahrscheinlich wäre es ungerecht, Marko Pantelic einen Hang zur Schauspielerei zu unterstellen, ehe man sicher weiß, ob er einst in der Schule die Theater-AG besucht hat. Jedenfalls wurde in Stuttgart heftig darüber spekuliert, was der 29-jährige Stürmer von Hertha BSC ausdrücken wollte, als er nach seinen beiden Toren in Stuttgart jeweils zum Berliner Trainer Lucien Favre lief, um ihn zu drücken und zu herzen. Der Serbe selbst konnte nach dem 3:1-Sieg der Hertha beim Deutschen Meister nicht mehr befragt werden, und der Coach hielt sich mit Gefühlen zurück. "Ich sehe heute keine einzelnen Spieler, sondern nur die Mannschaft", sagte Favre, "und die hat das Glück provoziert."

Man muss nicht besonders spitzfindig sein, um festzustellen, dass das größte Glück der Hertha an diesem Tag darin bestanden hat, dass sie auf einen Meister traf, dessen Innenverteidigung allenfalls Kreismeister-Niveau hatte. Aber das war es wohl nicht, was Lucien Favre ausdrücken wollte. Der Übungsleiter meinte wohl eher den Gesamteindruck, die Einstellung, den Willen und den Biss, den seine Elf im Gottlieb-Daimler-Stadion an den Tag gelegt hatte. "Die Mannschaft hat Charakter gezeigt", sagte er, "und sie hat gezeigt, dass sie Fußball spielen kann." Einen Preis für besondere Originalität hat sich Favre mit diesen zwei Sätzen zwar nicht verdient, aber manchmal sind die Kommentare eben so wie das Fußballspiel selbst. Einfach.

Überraschenderweise waren es nicht einmal die Torschützen Pantelic und Raffael, die nach dem Schlusspfiff im Mittelpunkt der Analysen standen. Vielmehr ging es um die Dreierkette in der Abwehr, ein Experiment des Trainers - und kein kleines Risiko. Denn alle drei - Josip Simunic, Arne Friedrich und Malik Fahti - waren nicht ganz fit in die Partie gegangen. "Friedrich wollte unbedingt spielen, Simunic wollte die Mannschaft führen", sagte Favre und bekundete seinen Respekt vor so viel Einsatzwillen.

Womöglich war es sogar Kapitän Friedrich, der mit seinem Antritt und seinem Pass auf Pantelic kurz vor der Pause das ganze Spiel entschieden hat. Denn die Stuttgarter hatten sich gerade zum 1:1 herangekämpft und durften guten Mutes sein, die Partie im zweiten Abschnitt umzubiegen. Aber das 2:1 der Berliner zu einem "psychologisch wichtigen Zeitpunkt", wie es so schön heißt, machte ihnen einen dicken Strich durch die Rechnung. "Arne ist nach vorne gegangen und hat diese Überzahlsituation provoziert", lobte Favre, der sich wohl besonders über das 3:1 des auf seinen Wunsch in der Winterpause vom FC Zürich gekommenen Brasilianers Raffael gefreut haben durfte. Diese durchaus denkbare Genugtuung ließ sich der Schweizer allerdings nicht anmerken.

Auch die Bedeutung des ersten Siegs im neuen Jahr wollte der 50-Jährige gar nicht zu hoch ansiedeln, etwa als Befreiungsschlag aus der großen Krise. "Die Mannschaft muss diese Leistung jetzt erst mal gegen Bielefeld bestätigen", sagte Favre, das nächste Heimspiel im Olympiastadion schon fest im Blick.

Hertha-Manager Dieter Hoeneß bewertete die Gesamtsituation ebenso routiniert. "Ein Schritt in die richtige Richtung" sei dieses 3:1 gewesen, die Mannschaft habe "Charakter gezeigt", sei "aggressiv in die Zweikämpfe gegangen", habe "konsequent nachgelegt" und die Stuttgarter hätten das "heute eben zu spüren bekommen". Was man halt so sagt als Manager, der darauf hofft, dass sein Team in absehbarer Zeit dem Abstiegssumpf entsteigt: "Wenn uns weitere Siege gelingen, müsste man von einer Wende sprechen."

Dass Hoeneß die Performance des Zweifachtorschützen Marko Pantelic in Stuttgart mit größtem Vergnügen beobachtet hatte, daraus machte der schwäbische Manager keinen Hehl. "Es ist ja bekannt, dass ich zu Marko ein sehr, sehr besonderes Verhältnis habe", sagte Hoeneß, "ich wollte ihn ein bisschen kitzeln." Pantelic hat nicht gelacht, sondern getroffen. Und dürfte damit zwei gute Argumente bei etwaigen Gehaltsgesprächen dazugewonnen haben. JÜRGEN ROOS

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