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Archiv-Artikel

Das bisschen Haushalt

„In eine Überforderungssituation gewandelt“: Achtfache Mutter auf der Veddel musste Ein-Euro-Job annehmen. Soziale Dienste sehen darin den Auslöser für die kürzlich entdeckte Vernachlässigung der fünf bei ihr lebenden Kinder

von Kaija Kutter

Der Fall der fünf vernachlässigten Kinder, die in der Vorwoche aus einer vermüllten Wohnung auf der Veddel geholt wurden, erscheint bei näherem Hinsehen in einem anderen Licht. Wie Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte, gegenüber der taz erklärte, war das Jugendamt vor einem Jahr zu der Einschätzung gelangt, die Mutter komme zurecht und könne „bezüglich der Wohnungsinstandhaltung und Beziehung zu ihren Kindern“ einen gerade noch „zu verantwortenden Standard“ einhalten. „Eskaliert“ sei die Situation dann in diesem Jahr, als die Mutter einen Ein-Euro-Job über 20 Wochenstunden annehmen musste.

Die Alleinerziehende hat insgesamt acht Kinder – darunter zwei Zwillingspärchen – von verschiedenen Vätern. Die jüngsten sind sechs Jahre alt, die zwei ältesten und ein behindertes Kind leben seit längerem nicht mehr bei ihr. Einen Kindsvater, der die 42-Jährige unterstützt hätte, „gibt es nicht“, berichtet Weiland. Bis vor einem Jahr kamen deshalb eine Familienpflegerin und eine Haushaltshilfe in die Wohnung. Die Hilfe, so die Sprecherin, habe sich jedoch „erschöpft“.

Im Bericht des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) heißt es, die Familienhilfe sei beendet worden, weil „offenbar ein Bruch im Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeiterin und Mutter entstanden war“. Zuletzt habe die Mutter gedroht, sich und den Kindern etwas anzutun, wenn man sie nicht in Ruhe lasse.

Das Problem der vermüllten Wohnung sei immer vorhanden gewesen, schildert Weiland: „Es war aber mit viel Energie gelungen, dies auf ein erträgliches Maß runterzufahren.“ Unter anderem hätte die Mutter zu renovieren begonnen. „Das schien sich gut anzulassen“, sagt Weiland. „Wobei man andere Maßstäbe anwenden muss als bei einer Vorstadtfamilie.“

Die Mutter selbst sagte Medienberichten zufolge, sie sei von der Arbeitsagentur gezwungen worden, einen Ein-Euro-Job anzunehmen: „Wenn ich arbeiten soll, kann man mir doch nicht vorwerfen, dass ich die Kinder alleine lasse.“ Der Bericht des Jugendamtes bestätigt diese Sicht. „Anscheinend“, so heißt es dort, „haben sich die Verhältnisse mit der Arbeitsaufnahme in eine Überforderungssituation gewandelt.“

Die Arbeitsgemeinschaft aus Stadt und Arbeitsagentur (Arge), die die Ein-Euro-Jobs zuweist, bestätigt, dass auch Mütter mehrerer kleiner Kinder in die Pflicht genommen werden. Sie müssten nur halbtags arbeiten, sagt Arge-Sprecherin Petra Daudert, und dies auch erst, „wenn die Halbtagskinderbetreuung geregelt ist“. Dabei suche man eine Arbeitsstelle in der Nähe. Im Fall der Veddeler Mutter habe man die Maßnahme sogar „zurückgestellt“, bis die Kinder untergebracht waren. „Die Fallmanager“, so Daubert, „achten darauf, dass es verträglich ist.“

Außer Acht scheint dabei zu bleiben, dass auch die Bewältigung eines Vielkinderhaushaltes erhebliche Arbeit ist.