Kolumne Laufen: Welche Risikogruppe darfs denn sein?

Zu dick, zu depressiv, zu arm? Kein Problem. Mittlerweile gibt es für alle Lebenslagen eine Studie - aber hilft die auch?

Es ist noch keine zwei Wochen her, da wurden wir mit den neuesten Ergebnissen einer Gesundheitsstudie überrascht. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger sind zu dick und tragen damit ein höheres Gesundheitsrisiko, hieß es da. Richtig überrascht sind wir natürlich nicht, aber Gott sei Dank gehören wir nicht dazu.

Die anderen, die laut Studie zu Dicken, streiten sich verständlicherweise um die Frage, ob die Rechnerei des Body-Mass-Index (BMI) überhaupt ein Kriterium sein kann, diese Frau oder jenen Mann als übergewichtig zu bezeichnen. Hört es sich nicht ein wenig zu kompliziert an, wenn man das Gewicht durch das Quadrat der Körpergröße teilt? Das soll also der Beweis sein, ob wir zu dick sind oder nicht?

Alle Betroffenen winken bei solchen Rechenübungen ab. Bei mir stimmt das so nicht, ich bin die Ausnahme. Um solchen Argumenten zu begegnen, haben sich die Macher der Studie noch mehr Mühe gemacht. Offensichtlich ist Fett rund um den Bauch (Apfeltyp) ungesünder, demnach mit mehr Risiko verbunden als Fett um die Hüfte und Beine (Birnentyp). Deshalb wurde das Fettverhältnis "Bauch/Hüfte" mitberücksichtigt. Sie sind wahrscheinlich ein klarer Birnentyp. Wieder Glück gehabt.

Bekanntermaßen kann man aber Äpfel und Birnen ohnehin nicht miteinander vergleichen, deshalb ging es bei der Studie auch um Lebensumstände. Bundesbürger, die mit einem Partner zusammenleben oder gar verheiratet sind, sind im Durchschnitt Übergewichtiger als Ledige oder alleinstehende Menschen. So so. Demnach gehöre also auch ich zur Risikogruppe "Hang zum Übergewicht". Verheiratet. Ganz nach dem Motto: Brautschau vorbei, nun darf gefressen werden. Ob der Frust über das gemeinsame Zusammenleben die jeweiligen Partner in der Nacht an den Kühlschrank treibt? Diese Fragen mussten bei der Studie offen bleiben. Fakt bleibt: Ledige sind weniger gefährdet, dick zu werden. Hoffentlich kommen die Krankenkassen nicht auf die Idee, Scheidungen als Kriterium zur Senkung von Kassenbeiträgen einzufordern.

Keine zwei Wochen nach der "zu dick"-Studie liefen gestern die Ergebnisse einer anderen großen Gesundheitserhebung über die Nachrichtenkanäle. Gerade machte ich mir Gedanken, wie ich aus der Risikogruppe der "zu Dicken" wieder herauskommen könnte, da sagte der Radiosprecher: "Männer leben ungesünder als Frauen." Wieder eine völlig neue Erkenntnis. Die Folge ist lange bekannt. Frauen leben im Schnitt sechs Jahre länger als Männer.

Kurz überschlage ich, wie viele Kilometer ich in sechs Jahren laufen könnte. Es sind 15.600 Kilometer. 15.600 Kilometer durch schöne Wälder, bei Sonnenschein und frischer Luft.

Männer saufen mehr, sie rauchen, fahren riskanter Auto, machen sich mehr Stress, fallen in depressive Löcher und leiden an Rückenschmerzen. Sie schlafen schlecht und wahrscheinlich, das steht nicht in der Studie, das sage ich: sie laufen zu wenig. Keinesfalls laufen sie in sechs Jahren 15.600 Kilometer, sonst wüssten sie, was sie mit ihrem frühen Ableben verpassen.

In Österreich ist das anders. Dort wurde im Sommer 2007 eine Studie mit der Schlagzeile "Arm, krank, weiblich: Frauen leben ungesund" veröffentlicht. Österreichische Frauen haben bei Zivilisationskrankheiten die Nase vorn: Kreuzschmerzen (Frauen: 39 Prozent, Männer: 36 Prozent), Bluthochdruck (Frauen: 23 Prozent, Männer: 20 Prozent) oder Allergien (Frauen: 24 Prozent, Männer: 18 Prozent). Je mehr Studien es gibt, umso verwirrender wird der Erkenntnisstand. Vor allem bleibt die Frage: Was sollen wir tun?

Dabei kann alles so einfach sein. Ein Leben im Kloster kann helfen. Laut Studie leben Mönche vier Jahre länger als "Normalmänner". Ein Laufschuhkauf mag in der Wirkung auf ein erfülltes und damit glückliches Leben nicht dasselbe sein wie ein Leben im Kloster, aber ich behaupte einfach einmal, dass 50 Kilometer laufen pro Woche (das sind 15.600 Kilometer in sechs Jahren) eine bessere Hilfe gegen Übergewicht ist als jede Studie.

Fragen zum Body-Mass? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

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